Die Beute
angeklopft hatte. »Ja?«
Jenny versuchte, sich von dem Spiel loszureißen. Irgendetwas daran … und an der Sache mit der Schlange … Waren alle Kinderspiele so schauerlich? Und dann diese Geschichten? Damit ich dich besser fressen kann, meine Liebe …
Vielleicht wissen Kinder etwas, das Erwachsene nicht mehr wissen, dachte Jenny fröstelnd, als sie das Haus betrat.
Als sie nach diesem weiteren Gespräch mit einer weiteren Dame wieder auf die Straße traten, war der Himmel
lavendelblau und wurde im Osten immer blasser. Die Straße war verlassen.
Gut, dachte Jenny, und war froh darüber, dass Joey bereits auf dem Weg nach Hause war – oder vielleicht war er sogar schon zu Hause.
»Willst du diesen Block noch fertig machen?«, fragte Audrey und überraschte Jenny erneut.
»Sicher. Warum nicht?«
Sie arbeiteten sich auf der einen Straßenseite vor und auf der anderen wieder zurück. Aber Jenny spürte, dass sie mit jedem Haus oberflächlicher wurde. Der Himmel war jetzt mitternachtsblau und alles Licht war verschwunden. Sie wusste nicht, warum, aber sie begann, nervös zu werden.
»Lass uns hier aufhören«, sagte sie, als sie noch drei Häuser vor sich hatten. »Ich denke, wir sollten jetzt umkehren.«
Das Mitternachtsblau verwandelte sich langsam in Schwarz. Die Straßenlaternen standen weit auseinander und Jenny fühlte sich plötzlich an die kleinen Lichtinseln in Zachs Albtraum erinnert. Einem Albtraum, in dem ein Cyberjäger sie durch endlose Dunkelheit gejagt hatte.
»He, warte auf mich!«, protestierte Audrey.
Jenny packte sie am Arm. »Nein, du beeilst dich. Komm schon, Audrey, wir müssen zurück zum Wagen.«
»Was soll das heißen? Was ist denn plötzlich los?«
»Ich weiß es nicht. Wir müssen einfach zurück!« Eine
dunkle Vorahnung beschlich Jenny. Eine Vorahnung aus einer Zeit, als Mädchen mit Lederbeuteln zum Wasserholen an den Fluss gingen, dachte sie verwirrt und erinnerte sich an etwas, das sie bei Julian gespürt hatte. Aus einer Zeit, als Panther in der Dunkelheit um Lehmhütten strichen. Als die Dunkelheit die größte Gefahr von allen war.
»Jenny, das sieht dir absolut nicht ähnlich! Sonst bin ich doch immer die Ängstliche«, sagte Audrey und wehrte sich, als Jenny sie weiterziehen wollte. »Du bist diejenige, die immer in die finsteren Stadtteile geht und …«
»Ja, und sieh dir an, wohin das geführt hat!«, gab Jenny zurück. Ihr Herz hämmerte, ihr Atem ging schnell. »Komm weiter!«
»Ich trau mich kaum, dir das zu sagen, aber – ich kann in diesen Schuhen nicht rennen. Sie bringen mich schon seit Stunden um.«
Im Schein der flackernden Straßenlaterne warf Jenny einen Blick auf Audreys enge italienische Pumps. »Oh, Audrey, warum hast du denn nicht schon früher was gesagt?« , fragte Jenny entsetzt. Dann brachte irgendetwas sie dazu, hinter sich schauen. In den Oleanderbüschen raschelte es.
Wo jeder andere nur einen Windhauch wahrnimmt oder einen Schatten …
»Audrey, zieh die Schuhe aus. Sofort!«
»Ich kann barfuß nicht rennen …«
»Audrey, da ist etwas hinter uns. Wir müssen hier weg, schnell. Sofort! Komm !« Sie zerrte erneut an Audrey, noch bevor diese ihre Pumps ausgezogen hatte. Jenny ging so schnell sie konnte, ohne zu rennen. Wenn du rennst, jagen sie dich, dachte sie panisch. Aber sie wollte rennen.
Denn dahinten war etwas. Sie konnte die winzigen Geräusche hören. Es verfolgte sie, war jetzt hinter der wuchernden Hecke rechts von ihr. Sie konnte spüren, dass es sie beobachtete.
Vielleicht ist es Cam oder eins der anderen Kinder, hoffte sie, aber sie wusste, dass es nicht so war. Und sie wusste tief im Innern, dass – was immer es war – sie und Audrey verletzen wollte.
Es bewegte sich schnell und leicht, war vielleicht sechs oder sieben Meter hinter ihnen und blieb ihnen auf den Fersen. »Audrey, beeil dich …«
Stattdessen blieb Audrey wie angewurzelt stehen. Ein angsterfüllter Ausdruck trat in ihre Augen, während sie dastand und lauschte.
»Oh Gott, da ist tatsächlich etwas!«
Das Rascheln kam näher.
Wir müssen zu einem der Häuser laufen, durchfuhr es Jenny. Bis jetzt hatte sie nur daran gedacht, so schnell wie möglich zum Auto zu kommen. Aber nachdem sie an den letzten Häusern vor dem Schulgelände vorbei waren, war Audreys Auto immer noch so weit weg. Sie würden es nicht schaffen.
»Komm!« Renn nicht renn nicht renn nicht, hämmerte es in Jennys Kopf. Aber ihre Füße, die in ihren sommerlich
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