Die Beute
hatte. Und wenn man das Spiel auch nur betrachtete – passierte etwas mit einem. Sobald man diese glänzende weiße Schachtel sah, wollte man sie, ganz gleich zu welchem Preis. Die Jungs waren Jenny wahrscheinlich nach Hause gefolgt, nur um an die Schachtel heranzukommen.
NEIN, SUMMER IST NICHT EBENFALLS IN DIESE RICHTUNG VERSCHWUNDEN! SUMMER WAR ZU DIESEM ZEITPUNKT NICHT MEHR DA! SUMMER WAR BEREITS TOT!
Erst nachdem sie die Geschichte erzählt hatten, begriff Jenny, wie verrückt sie klang. Zuerst wollten die Polizistinnen nicht glauben, dass Summer wirklich verschwunden war, egal wie oft Tom einen Lügendetektor-Test verlangte.
Aber nachdem sie Summers Eltern angerufen hatten und erfuhren, dass Summer seit dem vergangenen Abend von niemandem mehr gesehen worden war, schenkte die Polizei ihnen schließlich doch Glauben. Zu diesem Zeitpunkt saßen Jenny und die anderen bereits auf der Wache an einem großen Tisch. Mittlerweile hatte Jenny die beiden Jungen, die das Spiel gestohlen hatten, auf Fotos identifiziert. P.C. Serrani und Scott Martell, besser
bekannt als Slug, ein Name, den er selbst gewählt hatte. Beide waren wegen Ladendiebstahls und Fahrens mit gestohlenen Autos vorbestraft. P.C. war der mit dem schwarzen Bandana und der Lederweste, Slug der im karierten Flanellhemd und mit der schlechten Haut.
Und dann stellte sich heraus, dass diese beiden ebenfalls verschwunden waren.
Doch das Schlimmste war, als Summers Eltern auf das Revier kamen, um Jenny zu fragen, wo Summer wirklich war. Sie verstanden nicht, warum Jenny, die mit Summer seit der vierten Klasse befreundet war, ihnen nicht die Wahrheit sagen wollte. Summers Vater bestand darauf, dass sich die Freunde einem Drogentest unterzogen. Für ihn hörte sich ihre Geschichte ziemlich stark nach seinen eigenen Hippie-Erlebnissen an – nach einem sehr, sehr schlechten Trip.
Mrs Parker-Pearson wiederholte immer wieder: »Was immer Summer getan hat, es spielt keine Rolle. Sagt uns nur, wo sie ist.«
Es war schrecklich.
Aba machte dem Ganzen schließlich ein Ende.
Als das Theater am größten und lautesten wurde, tauchte sie plötzlich auf. Sie trug ein leuchtend orangefarbenes Gewand, eher eine Robe als ein Kleid, und ein orangefarbenes Tuch zierte ihren Kopf wie ein Turban. Sie war Dees Großmutter, sah aber aus wie ein Mitglied des Königshauses, das zu Besuch kommt. Sie bat die Polizei, sie mit den Kids allein zu lassen.
Und dann erzählte Jenny, die am ganzen Leib zitterte, die Geschichte noch einmal. Von Anfang an.
Danach betrachtete Aba alle der Reihe nach. Tom, den Sportchampion, dessen hübsches, dunkles Haar wild in alle Richtungen abstand. Die immer schicke Audrey, deren Wimperntusche vor lauter Schluchzen verschmiert war. Zach, den unerschütterlichen Fotografen, dessen graue Augen vor Schock ganz glasig wirkten. Michael, der seinen zerzausten Kopf in den Armen verbarg. Dee, die als Einzige von ihnen immer noch aufrecht dasaß, stolz, angespannt und zornig, und deren Haar wie eine schwarze Samtkappe schimmerte.
Als ihr Blick auf Jenny fiel, erwiderte diese ihn mit einer stummen, flehentlichen Bitte um Verständnis.
Dann betrachtete Aba ihre eigenen verschränkten Finger, die Finger einer Bildhauerin, lang und immer noch schön, obwohl sie vom Alter knotig geworden waren.
»Ich habe euch eine Menge Geschichten erzählt«, sagte sie zu Jenny, »aber es gibt eine ganz berühmte Geschichte, die ihr, glaube ich, noch nicht gehört habt. Es ist eine Hausa-Geschichte. Meine Vorfahren waren Hausa-Redner, und meine Mutter hat mir diese Geschichte erzählt, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
Michael hob langsam den Kopf vom Tisch.
»Es war einmal ein Jäger, der in den Busch ging, wo er einen Schädel auf dem Boden fand. Er sagte, mehr zu
sich selbst als zu dem Schädel: ›Nun, wie bist du denn hierhergekommen?‹
Zu seinem Erstaunen antwortete der Schädel: ›Ich bin durch Reden hierhergekommen, mein Freund.‹«
Tom beugte sich vor und hörte aufmerksam zu, während Audrey Aba anstarrte. Sie kannte Aba noch nicht so gut wie die anderen.
Aba fuhr fort. »Der Jäger war sehr aufgeregt. Er lief zurück in sein Dorf und erzählte allen, dass er einen sprechenden Schädel gesehen habe. Als der Häuptling des Dorfes davon hörte, bat er den Jäger, ihn zu dem wundersamen Schädel zu führen.
Also brachte der Jäger den Häuptling zu dem Schädel. ›Rede‹, sagte er, aber der Schädel lag nur da. Der Häuptling war so wütend
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