Die Beute
Wahrheit, und es war typisch für ihn, dass er sie aussprach.
»Wir wollten heute doch ohnehin plakatieren«, erklärte Audrey. »Währenddessen können wir genauso gut nach diesem Mädchen Ausschau halten.«
»Es wird nichts ändern«, sagte Zach tonlos.
Die anderen wandten sich zu Jenny um. Er ist dein Cousin, kümmere du dich um ihn, sprachen ihre Blicke.
Jenny holte tief Luft. »Du weißt ganz genau, dass es etwas ändern wird «, sagte sie gepresst. »Wenn wir das Papierhaus nicht zurückbekommen … du weißt, was dann geschehen könnte.«
»Und was willst du tun, wenn wir es tatsächlich finden? Es verbrennen? Es zerfetzen? Mit den beiden Jungs darin? Ist das kein Mord oder zählen P.C. und Slug nicht?«
Da begannen alle gleichzeitig zu reden. »Sie würden sich auch nicht um uns scheren …«, hob Audrey an.
»Seid ruhig«, fuhr Dee dazwischen, die sich wie eine Löwin vor Zach aufgerichtet hatte.
»Vielleicht sind sie ja gar nicht drin. Vielleicht haben sie es einfach genommen und die Stadt verlassen oder so was«, überlegte Michael laut.
Jenny nahm ihren ganzen Mut zusammen, dann stand sie auf und sah Zach direkt an. »Wenn du nichts Nützliches beizutragen hast, solltest zu besser gehen.«
Sie sah die überraschten Mienen der anderen. Nur Zach wirkte nicht überrascht. Er stand auf, und sein schmales, bleiches Gesicht mit der charakteristisch gebogenen Nase war noch eindringlicher als gewöhnlich, als er Jenny anstarrte. Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und ging davon.
Jenny setzte sich wieder hin, sie war erschüttert.
»Gütiger Himmel«, murmelte Michael überrascht.
»Er hat es verdient«, sagte Dee.
Jenny wusste, dass der springende Punkt nicht die
Frage war, ob Zach es verdient hatte, sondern dass sie ihm die Meinung gegeigt hatte.
Ich habe mich auch verändert, dachte Jenny. Sie versuchte, dieses Wissen mit einem »Na und« abzutun, aber es nagte an ihr. Sie hatte das Gefühl, sich tief drinnen vielleicht viel mehr verändert zu haben, als irgendjemand bislang wusste.
»Wir müssen das Papierhaus finden«, erklärte sie.
»Richtig«, stimmte Dee ihr zu. »Obwohl ich nicht glaube, dass P.C. und Slug auch nur die geringste Chance haben, es bis in den Keller zu schaffen, wo Julian ist. Nicht mit dieser Schlange und diesem Wolf …«
»Dem Kriecher und dem Schleicher«, präzisierte Audrey.
»… aber wir sollten besser auf Nummer sicher gehen.« Die Schulglocke läutete. »Wir sehen uns in Physiologie« , sagte Dee zu Jenny, schnappte sich ihre leere Carbo-Force -Dose und lief in Richtung Kunsttrakt davon.
Michael klopfte sich Kekskrümel vom Schoß, stand auf und machte sich auf den Weg zur Turnhalle.
Jenny wusste, dass sie sich ebenfalls beeilen sollte. Sie und Audrey mussten sich zur Tennisstunde umziehen. Aber im Moment kümmerte es sie nicht, ob sie sich verspätete.
»Willst du schwänzen?«, fragte sie Audrey.
Audrey, die sich gerade die Lippen nachschminkte, brach mitten in der Bewegung ab. Dann ließ sie ihr Vorhaben ganz bleiben, die Puderdose zuschnappen und
den Lippenstift in ihr Kosmetiktäschchen zurückgleiten. »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte sie erstaunt.
»Nichts …«, begann Jenny. Da bemerkte sie, dass jemand auf sie zukam.
Es war ein Junge, ein Zwölftklässler aus Jennys Weltliteraturkurs. Brian Dettlinger. Er sah Audrey unsicher an, aber als ihm klar wurde, dass sie genau dort sitzen bleiben würde, wo sie war, sagte er beiden Mädchen Hallo.
»Ich hab mich gefragt«, setzte er dann an, während er eine Hummel beobachtete, die über einem Büschel mexikanischer Lilien schwebte, »ob du schon … du weißt schon … ein Date für den Schulball hast?«
Der Schulball war doch schon, dachte Jenny, bis endlich der Groschen fiel. Er meinte natürlich den Schulball der Abschlussklasse.
Audrey bekam große Augen. »Nein, hat sie nicht«, sagte sie prompt und schürzte leicht die Lippen, was ihren Schönheitsfleck betonte.
»Aber ich habe einen festen Freund «, antwortete Jenny erstaunt. Alle wussten das. Ebenso wie alle wussten, dass sie und Tom seit der Grundschule zusammen waren, dass sie schon seit Jahren nur noch als Tom-und-Jenny galten, als seien sie siamesische Zwillinge. Alle wussten das.
»Oh, klar«, murmelte Brian Dettlinger und wirkte leicht verlegen. »Aber ich dachte nur – er ist nicht mehr so oft da, und …«
»Danke«, unterbrach Jenny ihn. »Aber ich kann nicht.« Sie wusste, wie abweisend sie klang
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