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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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erhabener König, mir die Natur dieses Stück Fleischs verschwiegen, hätte ich es unbeschwert genießen können. Da ich aber nun seinen Ursprung kenne …« Er zuckte bedauernd die Achseln und griff zu einer Hühnerkeule.
    »Mein Freund Abt Alkuin hat dir eine Botschaft für mich aufgetragen?« fragte Karl.
    »Er entbietet Euch seine herzlichsten Grüße«, erwiderte Isaak. »Der ehrenwerte Abt ließ mich zu sich kommen, um mehr über Verwaltung, Dichtkunst, Medizin, Philosophie und Musik meiner Heimatstadt Bagdad zu erfahren. Vor allem die Lösung der quadratischen Gleichung durch unsere großen Mathematiker hatte es ihm angetan. Ich berichtete ihm, daß mein Herr, der großmütige und erlauchte Kalif Harun al-Raschid, seinerseits mit Ehrfurcht über die Gelehrsamkeit und Errungenschaften des mächtigen Frankenkönigs spricht und einer näheren Verbindung außerordentlich zugeneigt sei. Daraufhin meinte der ehrwürdige Abt, daß es sicherlich klug sei, die Freundschaft des Herrschers jenseits des Meeres zu suchen.«
    Karl nickte nachdenklich. Eine Verbindung zu diesem mächtigen Kalifen, der am Westufer des Flusses Tigris eine jetzt schon legendenumwobene Stadt errichtet hatte, käme ihm gerade in der derzeitigen politischen Situation sehr zustatten. Erschauernd dachte er an die Lage in Byzanz, wo jetzt ein Weib den Kaiserstuhl ganz für sich beanspruchte. Irene hatte nämlich ihren eigenen Sohn und Mitkaiser einfach abgesetzt und danach in so grausamer Weise blenden lassen, daß er daran gestorben war. Liebevoll blickte Karl zu Rotrud, froh, ihr das Schicksal erspart zu haben, einer solchen Schwiegermutter in die Hände zu fallen.
    Wenn Irenes Machthunger noch weiter wuchs, könnte sich der Kalif als Verbündeter gegen Byzanz erweisen. Sorgen machte Karl auch das Emirat von Cordoba. Diese unberechenbaren Omaijaden in Spanien galten als Todfeinde des Abbasiden Harun al-Raschid. Kurz ging Karl durch den Kopf, daß es schon eine seltsame Welt war, in der westliche Muselmanen mit oströmischen Christen gegen östliche Muselmanen mit weströmischen Christen in den Kampf ziehen könnten.
    »Ich werde deinem edlen Herrn, dem Kalifen, einen Brief, Geschenke und eine Gesandtschaft schicken«, sagte Karl.
    »Eine äußerst beschwerliche Reise«, bemerkte Isaak. »Wenn es Euch recht ist, kann ich Eurer Gesandtschaft als Führer und Dolmetscher dienen.«
    »Einverstanden«, erwiderte Karl. »Und jetzt berichte mir mehr von deiner eindrucksvollen Stadt und ihrem großen Kalifen.«
    Und so erzählte Isaak von den zahlreichen üppig ausgestatteten Palästen des Herrschers, von seinen prächtigen Barken und Brücken, den Erfindungen seiner weisen Männer, die sogar einen durch Wasser angetriebenen Zeitmesser erdacht hätten, dem gut ausgebauten Straßennetz und den brunnengekühlten Innenhöfen. Isaak fuhr fort, daß man den Kalifen mit nichts glücklicher machen könne als mit einer guten Geschichte. Hier unterbrach ihn der König stirnrunzelnd: »Wie bitte? Eine Geschichte macht ihn glücklich? Trifft es denn nicht zu, daß der edle Harun al-Raschid Hunderte von Frauen sein eigen nennt?«
    Schon am nächsten Morgen brachen die Gesandten Lantfrid und Sigismund mit dem Juden Isaak auf, der vieler Sprachen mächtig war und den Männern des Königs in allen zu durchreisenden Ländern als Übersetzer dienen sollte. Da es sich um eine lange und gefährliche Reise handelte, nahmen sie nur wenig Gepäck mit. Als Gaben für den Kalifen hatte der König den Männern ein paar edle Geschmeide aus dem Schatz der Awaren anvertraut, etwas feines Tuch aus Prüm sowie eine Meute von Kampfhunden, die auch gleichzeitig Schutz vor Räubern bieten sollte.
    Gerswind brachte Einhard die Abschrift zurück und ließ sich augenblicklich beim König melden. Wortlos überreichte sie ihm ihr eng beschriebenes Stück Pergament. Er gab es ihr zurück.
    »Ich möchte lieber aus deinem eigenen Mund hören, welche Änderungen du für die Sachsengesetze vorschlägst, mein Kind.«
    Hochrot geworden, ergriff Gerswind die Schrift. Sie vergaß immer wieder, daß der König, der so kluge Reden führte, so weise Schlußfolgerungen ziehen konnte und so viel Wissen in seinem Kopf angesammelt hatte, sich beim einfachen Lesen sehr schwertat. Es war ein offenes Geheimnis, daß er unter seinem Kopfkissen ein Wachstäfelchen versteckte und in manchen Nächten, wenn ihn der Schlaf mied, mit den Buchstaben kämpfte wie an Kriegstagen mit seinen Feinden.
    »Es werden zu viele

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