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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Vergehen mit dem Tod bestraft«, begann Gerswind.
    »Wird abgeschafft«, erwiderte Karl.
    Gerswind starrte ihn überrascht an. »Auch wenn jemand einen Priester oder einen der Königsboten ermordet?« fragte sie ungläubig.
    »Kann man dann auch nicht mehr ändern«, erklärte Karl leichthin, »und sollte künftig daher auch durch Geld gebüßt werden können. Weiter.«
    Stockend fuhr Gerswind fort, daß die Zehntleistung für Sachsen, die bislang keine Steuern kannten, unzumutbar sei.
    »Darauf hat mich Alkuin auch schon hingewiesen«, sagte Karl. »Er meint überdies, daß die Bekehrung nicht Menschenwerk, sondern das Werk Gottes sei, und er hat Einwände gegen Umsiedlungen und Massentaufen geltend gemacht. Du siehst, Gerswind, auch unter den Christen finden sich für deine widerspenstigen Sachsen mächtige Fürsprecher.«
    Er gebot ihr, sich an sein Pult zu stellen und alles aufzuschreiben, was er ihr nun sagen werde.
    »Zufrieden?« fragte er, als sie nach drei Stunden die Feder aus ihren verkrampften Fingern legte.
    Sie nickte strahlend, glücklich, daß es ihr endlich gelungen war, ihrem gepeinigten Volksstamm ein besseres Leben im Frankenland zu ermöglichen.
    »Gut. Einiges werde ich mit meinen Beratern noch ausarbeiten und verfeinern müssen, aber im wesentlichen ist das Gesetzeswerk jetzt fertig. Ich werde es Capitulare Saxonicum nennen.«
    Er trat auf sie zu, ergriff ihre steife Hand und massierte sanft ihre Finger. »Und dafür, meine kleine Beutefrau, hätte ich zumindest einen Kuß verdient, findest du nicht auch?«

7
    Vorbereitungen
    Die Jahre 797-799
    Gerswind bedachte sich nicht lange. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Karl einen flüchtigen Kuß auf die Wange. Noch ehe er die Arme um sie legen konnte, war sie einen Schritt zurückgetreten.
    »Danke!« sagte sie, huschte rasch hinter das schützende Pult, beugte sich wieder über die Schrift und fragte: »Wann wird dieses Kapitular verkündet?«
    »Gib dem König, was des Königs ist«, erwiderte Karl, mühsam ein Schmunzeln verbergend.
    »Wann?« fragte Gerswind beharrlich und strahlte ihn so offen an, daß ihm das Herz aufging. Er strich versonnen über die Stelle, die sie geküßt hatte, und erwiderte: »Auf der Reichsversammlung im Oktober. Ich werde auch die Führer deiner Sachsen einladen. Zufrieden?«
    Gerswind nickte zögernd und bemerkte dann: »Gewiß ist nur eins: daß die Zukunft ungewiß ist. Wie können denn meine Sachsen sichergehen, daß du sie nicht wieder angreifen wirst?«
    »Angreifen! Welch ein häßliches Wort, Gerswind!« versetzte Karl mit gespielter Empörung. »Ich habe mich nur gegen sie gewehrt, wenn sie das Christentum angegriffen haben. Aber ich werde diesmal vorbeugen und den gesamten Winter im Sachsenland verbringen. Wenn ich in Herstelle vor Ort bin und dort Weihnachten feiere, braucht sich das wilde Volk nicht zu erheben, um gleich danach vor lauter Angst wieder die Waffen zu strecken – wie in den vergangenen beiden Jahren.«
    »Vielleicht nicht vor Angst, sondern aus Vernunft?« schlug Gerswind vor.
    Leicht verärgert fragte Karl: »Und wie vernünftig ist es denn, mir überhaupt in die Quere zu kommen?«
    »Überhaupt nicht«, gab Gerswind zu. »Niemand ist dir an Macht gleich, doch gerade deswegen sollte es dir leichtfallen, den Stolz anderer zu achten.«
    Bei diesen Worten sah sie ihn so fest an, daß er an sich halten mußte, sie nicht in die Arme zu schließen und ihr zu sagen, daß er ihrem eigenen Stolz all die Achtung erweisen wolle, deren er fähig sei.
    Nachdem sie die Beratungskammer verlassen hatte, fühlte er erstmals, daß er dieses kleine kluge Sachsenmädchen liebte. So bedingungslos liebte wie Liutgard und seine Töchter. Wie Alkuin, Einhard, Angilbert, Teles und all die anderen, die ihm ergeben waren und um deren Wohlergehen er sich sorgte. Ja, auch wie seine Beischläferinnen, die sich alle jeweils im Gefühl sonnen konnten, dem König eine einzigartige Geliebte zu sein. Was in jedem Fall tatsächlich zutraf.
    An Gerswind erfreute er sich wie an Sonne, Mond und Sternen, wie an Wald, Wiesenblumen und Wild. Sie war einfach nur da und verbreitete Behagen. Wissend, daß in ihr eine ihm unbegreifliche Unruhe wohnte, war er von Dankbarkeit erfüllt, daß sie nie wieder davongelaufen war. Er vermutete, daß sie auch ihre Sorge um den immer schwächer werdenden Teles am Hof hielt. Gerührt hatte er einmal von seinem Königssitz aus beobachtet, wie liebevoll sie dem blinden Mann in der

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