Die Beutefrau
stand auf, damit er sie entdeckte. Da er aus dem schwachen Schein des Kochfeuers in den Schatten getreten war, konnte sie nur Umrisse erkennen, zweifelte aber keinen Augenblick daran, daß es sich um Carolino handelte.
Sie erwartete, daß er vor ihr stehenbleiben und sie ansprechen würde. Ihr vielleicht vorschlug, ein Stück gemeinsam durch den Wald zu gehen oder sich in der Lichtung niederzulassen, an deren Rand sie stand und von der aus man durch das Blätterdach des Waldes den Mond erkennen konnte.
Doch er sagte nichts. Er stürzte auf sie zu, als sei er von Sinnen, riß sie an sich, preßte seine Lippen auf ihre und warf sie so grob zu Boden, daß sie aufschrie.
Zu ihrem Entsetzen erstickte er ihren Schrei mit einem ranzig schmeckenden Stück Stoff, riß ihre Kleider hoch und drang ohne ein Wort in sie ein. Sie fürchtete zu sterben, zu ersticken, und als sie schon glaubte, daß es nicht schlimmer werden könnte, warf er sie auf den Bauch und trieb sein Geschlecht gewaltsam in jene Körperöffnung, die dafür eigentlich zu klein war. Gerswind bäumte sich auf, würgte, versuchte sich zu befreien, doch der Mann war stärker. Nach einer kleinen Ewigkeit ließ er sie los.
»Sei dankbar, daß mein Samen nicht in dir aufgehen wird«, erklang die hämische Stimme Ludwigs. »Und schweige hierüber! Sonst wirst du doch noch geköpft!«
Endlich ließ er ihre Hände los, richtete seine Kleidung und verschwand.
Würgend entfernte Gerswind den Knebel und starrte dem Mann hinterher. Ludwig, der vierfache Vater, dessen Frau Irmingard im Wohnturm zurückgeblieben war, um den neugeborenen Pippin, den im vergangenen Jahr geborenen Lothar und die Zwillinge zu hüten, Ludwig, der mehr betete als alle anderen Kinder Karls zusammen, der seinen Schwestern ständig ihr lasterhaftes Verhalten vorhielt, Ludwig, der einstige Spielgefährte, der sie immer hatte köpfen wollen und an einem kalten Dezembermorgen in einen Wassergraben geworfen hatte, dieser Ludwig hatte sie geschändet. Nur wenige Schritte von König Karl entfernt und von Carolino …
Gerswind verbarg ihr Gesicht in den Armen und begann zu weinen.
Karl der Jüngere würdigte sie keines Blickes, als sie nach langer Zeit zum Feuer zurückkehrte und sich an den Rand der Gruppe setzte. Sie fühlte sich so beschmutzt und gedemütigt, daß sie es nicht fertigbrachte, ihren alten Platz neben ihm wieder einzunehmen. Er sprach sie nicht mehr an. Gerswind hielt den Rest des Abends die Lider gesenkt. Sie zweifelte nicht daran, daß sich in ihren Augen für jeden sichtbar ihre Schande widerspiegelte, und konzentrierte sich darauf, das Zittern zu beherrschen, das durch ihren ganzen Körper lief.
Als sich König Karl ihr plötzlich zuwandte, zuckte sie erschrocken zusammen.
»Ich höre, Gerswind, daß du dir von Einhard das Capitulare de partibus Saxoniae ausgeliehen hast. Wozu wünschst du denn diese trockene Abhandlung zu studieren?« fragte er freundlich.
Seine Worte drangen kaum zu ihr durch. Caput , Kopf, glaubte sie zu verstehen, und Sachsen, doch es war ihr ganz gleich, wenn ihr jetzt auch noch der Kopf abgeschlagen würde, wie Ludwig so hämisch angedroht hatte.
»Glaubst du, daß dein Volk sich weniger auflehnte, wenn die Gesetze nicht so streng wären?« bohrte Karl nach, der in Gerswinds Gesicht Abscheu zu lesen vermeinte.
»Gewiß«, murmelte sie, endlich begreifend, daß hier nicht über sie und ihre Schande gerichtet wurde.
»Dann teile ich dir hiermit eine Aufgabe zu«, fuhr der König fort. »Unterbreite mir in den nächsten Tagen Vorschläge zur Abänderung dieses Gesetzeswerks. Sag mir, wie die Regeln lauten sollten, damit die widerspenstigen Sachsen sie auch einhalten.«
»Mein Vater macht hier offensichtlich den Bock zum Gärtner«, bemerkte Ludwig in die Runde. Aus des Königs Augen traf ihn ein eisiger Blick.
»Den du dann hoffentlich nicht wieder schießen wirst«, sagte er beziehungsreich. Ausgelassenes Gelächter folgte seinen Worten, denn durch Treffsicherheit hatte sich der jüngste Sohn des Königs bei dieser Jagd wahrlich nicht ausgezeichnet.
Nach der Rückkehr in den Wohnturm schützte Gerswind Erschöpfung vor und kündigte an, sich augenblicklich zur Ruhe zu legen. Hruodhaid half ihr beim Auskleiden. Als sie Gerswinds Gewand über die Truhe legte, rief sie erstaunt: »Da ist ja überall Blut! Wie mutig von dir, den Tieren so nahe zu kommen! Und jetzt m… m… muß ich dir alles von meinem Wernar erzählen …«
Während Hruodhaids
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