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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Pfalzkapelle die Bilder auf den Mosaiken beschrieb.
    Am liebsten hätte er sie umhegt wie eine seltene Pflanze, einen Erlaß herausgegeben, daß sie zu hüten und hochzuschätzen sei. Am liebsten hätte er ihr in diesem Augenblick die Welt zu Füßen gelegt.
    Sein Herz hatte alle denkbaren Stadien der Liebe mehrfach durchlaufen. Inzwischen glaubte er erkannt zu haben, daß jedem Anfang einer angeblich einzigartigen Liebe ein unschönes Ende innewohnte, das Schmerzen bereitete und von wirklich wichtigen Aufgaben ablenkte.
    Voller Grauen dachte er manchmal an die Besessenheit, die Fastrada in ihm geweckt hatte. Nie wieder würde er sich von einer Frau, einem Menschen, derart beherrschen lassen, daß er seine Pflichten als Monarch vernachlässigte; nie wieder würde er sich selbst in einem anderen Menschen so verlieren; nie wieder würde er einem anderen eine solche Macht über sich zugestehen!
    Nach Fastradas Beisetzung hatte er Gott auf Knien um Vergebung für seine Sünde gebeten. Und sie tatsächlich empfangen: Der Herr hatte ihm Liutgard gesandt. Deren Weigerung, das Bett mit ihm zu teilen, nahm er dankbar als Buße an. Mittlerweile hatte er die Sehnsucht nach ihrem Körper bezwungen, ohne daß dies seine Liebe zu ihr im geringsten minderte.
    Die Freuden der körperlichen Liebe fand er woanders, und er zweifelte nicht daran, daß er mit liebevollem Nachdruck auch Gerswind in den Reigen seiner Beischläferinnen einreihen könnte. Er hielt sich zurück, da er fürchtete, sie durch zu frühe und nicht ausreichend behutsame Annäherung zu verlieren. Anders als die Frauen, mit denen er derzeit freudige Stunden verbrachte, würde es sich Gerswind wohl kaum als Ehre anrechnen, ihm so nahe kommen zu dürfen. Sie war zu stolz, um zu verstehen, daß seine Liebe so allumfassend, unteilbar und behütend war wie ein Kaiserreich. Das Mädchen, das immer noch Treue für das Volk empfand, von dem es abstammte und über das es doch nur wenig wissen konnte, würde seine Ausflüge in andere Betten als Verrat empfinden. So hehr und großmütig wie Liutgard war Gerswind nicht. Vielleicht aber würde sie irgendwann begreifen, daß er ihr eine Liebe bar jeglicher kümmerlicher kurzlebiger Wallungen zu bieten hatte.
    Solch verwirrende Gemütszustände hatte er in seinen Jugendjahren selbst viel zu oft erlebt.
    Heute war er treu. Nicht einem einzigen Menschen, das wäre höchst ungesund und für keinen der beiden erfreulich oder gar erbaulich, fand er, sondern all denjenigen, die er in sein Herz gelassen hatte. Ihr Platz darin war für immer verankert, ganz gleich, wer diese Menschen waren, was sie taten und wie sie sich ihm gegenüber verhielten. Genau deswegen hatte er auch den Sohn, der ihm nach dem Leben getrachtet hatte, nicht zum Tode verurteilen können.
    Gerswind mußte wissen, daß ihr die Tür zu seinem Herzen offenstand. Er konnte warten, bis sie aus freien Stücken eintrat. Und er würde sie in der Zwischenzeit noch mehr lehren. Er schmunzelte wieder, als er an ihre Reaktion auf seine Bitte um einen Kuß dachte. Sie hatte bereits eine Menge gelernt. Zum Beispiel, daß man einen Herrscher nicht durch eine brüsk ausgesprochene Ablehnung seiner Forderung verärgerte. Man hielt ihn mit einer Geste hin, die für die Zukunft alles – oder auch nichts – versprach.
    Genauso hatte er es auch mit dem Gesandten der Kaiserin Irene gehalten, der vor wenigen Tagen mit einem sehr verblüffenden Angebot seiner Herrin am Aachener Hof erschienen war.
    Offensichtlich hatte Irene in Konstantinopel ernsthafte Probleme. Karl wußte schon von seinen eigenen Spähern, daß die Unbeliebtheit der Athenerin einen neuen Höhepunkt erreicht hatte und die Bürger ihrem frevelhaften Handeln zuschrieben, daß sich die Sonne in der Stadt siebzehn Tage lang verfinstert hatte.
    Man blendet und tötet eben nicht ungestraft den eigenen Sohn, dachte Karl und schüttelte sich bei dem Gedanken, ein solches Weib auch nur zu berühren. Was natürlich unvermeidlich wäre, wenn er Liutgard verstieß und die Kaiserin von Byzanz ehelichte. Der Gesandte Irenes war nämlich als heimlicher Brautwerber gekommen und hatte als Vorschuß auf die Mitgift zugesichert, daß Irene auf Benevent verzichte. Ein ziemlich billiges Geschenk, da sich diese Provinz ja de facto schon längst in Karls Händen befand, aber gleichzeitig eine Art Friedensangebot.
    Der König wollte die erste freundliche Geste aus Byzanz nach dem Bilderstreit, den er selbst beim Frankfurter Konzil drei Jahre

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