Die bezaubernde Arabella
Küche brachte.
»Alles ist hier so unerhört vornehm!« seufzte Miss Blackburn. »Aber wir hätten die Einladung zum Essen nicht annehmen dürfen! Ich habe das sichere Gefühl, daß wir es nicht hätten tun dürfen, liebste Miss Tallant!«
Arabella war ihrer Sache selbst nicht ganz sicher, aber nun ließ sich nichts mehr ändern, und so erklärte sie, ihrer Ansicht nach wäre nichts dagegen einzuwenden. Sie entdeckte einen Kamm und eine Bürste auf dem Toilettentisch und begann ihre Locken zu ordnen. »Die Herren betragen sich äußerst gentlemanlike«, versicherte Miss Blackburn. »Beste Erziehung, möchte ich sagen. Gewiß sind sie zur Jagd hier, verlassen Sie sich darauf! Dies hier ist eine Jagdhütte.«
»Eine Jagdhütte! Dazu ist es doch viel zu groß!«
»Ach nein, Liebste, ein kleines Haus! Die Tewkesburys, deren Kinderchen ich heranzog, bevor ich zu Mrs. Caterham kam, besaßen ein weit größeres, auf mein Wort. Dies hier ist Melton Country, müssen Sie wissen.«
»Du lieber Himmel, sind das Melton-Leute? Ach, wenn doch Bertram hier sein könnte! Was werde ich ihm alles schreiben! Ich glaube, das Haus gehört Mr. Beaumaris: wer aber mag der andere sein? Als ich ihn erblickte, habe ich mich arg getäuscht, denn mit der gestreiften Weste und dem getupften Halstuch, das er statt der Krawatte trägt, sieht er eher wie ein Groom oder etwas dergleichen aus. Als er aber dann redete, merkte ich gleich, daß er nichts Gewöhnliches sein kann.«
Miss Blackburn genoß ihren Vorteil, einmal mehr zu wissen, lachte nachsichtig und sagte: »Ach du lieber Himmel, Miss Tallant! Viele modische junge Herren tragen weit sonderbarere Kleider! Das war es, was Mister Geoffrey Tewkesbury, ein sehr modischer junger Herr, den verrückten Pli zu nennen pflegte.« Dann fügte sie versonnen hinzu: »Ich muß indessen zugeben, daß ich nicht viel davon halte, und auch die liebe Mrs. Tewkesbury tat es nicht. Dem Bild, das ich mir von einem echten Gentleman mache, entspricht eher Mr. Beaumaris.«
Arabella zerrte mit dem Kamm erbarmungslos an ihrem Haargewirr. »Mir kam er sehr hochmütig und allzu reserviert vor, und nicht besonders gastfreundlich.«
»Oh, wie können Sie so etwas sagen! War es nicht allerliebst von ihm, mich gleich auf den besten Platz zu nötigen, so nahe dem Feuer? Bezaubernde Manieren! Und gar nicht hochmütig! Mich hat seine Herablassung wirklich überwältigt.«
Arabella war es klar, daß sie und Miss Blackburn ihren Gastgeber durch zweierlei Brillen betrachteten. So versank sie in Schweigen, und als Miss Blackburn sich vor dem Spiegel aufgefrischt hatte, schlug sie vor, wieder hinunterzugehen. So verließen sie das Zimmer, durchschritten die obere Hall und kamen an die Treppe. Eine Laune hatte Mr. Beaumaris bewegen, die Treppe mit Teppichen auszulegen, ein Luxus, auf den Miss Blackburn mit einem Wink und einer vielsagenden Miene hinwies.
Die Tür von der unteren Halle zur Bibliothek stand offen. So drang Lord Fleetwoods Stimme deutlich zu den Ohren der Ladies. »Auf mein Wort, Sie sind unverbesserlich«, sagte Seine Lordschaft. »Da fällt Ihnen das bezauberndste Geschöpf in den Schoß, wirklich der reinste Honigtau, und Sie schneiden eine Miene, als ob sich ein Geldverleiher bei Ihnen angemeldet hätte, um seine Zinsen einzutreiben.«
Und Mr. Beaumaris antwortete mit verhängnisvoller Klarheit: »Lieber Charles, wenn Sie einmal alle Tricks ausgekostet haben werden, die der Weiberverstand ersinnt, dann werden Sie einigermaßen begreifen, wie ich empfinde. Was für Schönheiten, die mein Vermögen heiraten wollten, sind mir schon in die Arme getaumelt. Vor meinem Londoner Haus sind ihnen die Schuhbänder gerissen, die Knöchel haben sie sich verrenkt, wenn ich in der Nähe stand, sie aufzufangen, und jetzt verfolgt man mich schon bis Leicestershire. Ein Wagenbruch! Für was für einen Ahnungslosen sie mich wohl halten mag!«
Eine schmale Hand legte sich um Miss Blackburns Gelenk. Arabellas Augen sprühten, ihre Wangen waren bezaubernd gerötet. Hätte Miss Blackburn Miss Tallant besser gekannt, so hätten sie diese Anzeichen erschreckt. Nun flüsterte Arabella ihr zu: »Kann ich mich auf Sie verlassen, Miss Blackburn?«
Miss Blackburn wollte bereits feierlich versichern, daß sie es wohl könne, aber da gab die Hand ihr Gelenk frei und bedeckte ihren Mund. Betroffen nickte Miss Blackburn. Zu ihrer Verwunderung raffte Arabella den Rock und eilte leichtfüßig die Treppe wieder hinauf. Dort machte sie
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