Die bezaubernde Arabella
kehrt, kam langsam wieder die Stufen herunter und sagte laut und deutlich: »Ja, ja, das habe ich unzählige Male gesagt! Gehen Sie doch, bitte, vor mir!«
Miss Blackburn sah sie verständnislos an, spürte eine kräftige junge Hand auf ihrem Rücken und wurde vorwärts gedrängt.
»Und trotzdem ziehe ich es vor, mit meinen eigenen Pferden zu reisen«, sagte Arabella.
Der zornige Blick, der diese harmlosen Worte begleitete, schüchterte die arme kleine Gouvernante ein, aber sie begriff, daß eine angemessene Antwort von ihr erwartet wurde, und brachte mühsam hervor: »Sehr wohl, Liebste.«
Jetzt wich der zornige Blick einem ermutigenden Lächeln. Einer von Arabellas Brüdern oder eine ihrer Schwestern hätte sie an dieser Stelle ermahnt, alle Folgen ihrer Heftigkeit vorauszubedenken; Miss Blackburn aber, die den Hauptfehler der ältesten Miss Tallant nicht kannte, war froh, wenigstens ihren Part befriedigend gespielt zu haben. Arabella trat in die halboffene Tür.
Es war Lord Fleetwood, der ihr entgegenkam. Sein Blick sprach von unverhohlener Bewunderung. »So, jetzt werden Sie sich gleich wohlfühlen! Verteufelt gefährlich, in einem feuchten Mantel herumzusitzen! Aber wir sind ja noch nicht bekannt gemacht, Ma’am! Zu dumm, kann mir nie einen Namen merken, wenn er das erste Mal genannt wird! Und dieser Diener Beaumaris’ hat so gebrummt, daß man ihn überhaupt nicht hörte. Sie müssen also erlauben, daß ich mich Ihnen selbst bekannt mache – Lord Fleetwood, zu Diensten.«
»Und ich«, sagte Arabella, in deren Augen noch immer das gefährliche Feuer brannte, »bin Miss Tallant.«
Seine Lordschaft murmelte Dank für diese Mitteilung, mußte aber zu seiner Überraschung feststellen, daß man ihn mißverstanden hatte. Arabella seufzte tief auf, schürzte unmutig die Lippen und sagte: »Nun ja, ganz richtig, die Miss Tallant.«
»Wieso die Miss Tallant?« stammelte Seine Lordschaft ratlos.
»Die reiche Miss Tallant«, sagte Arabella.
Seine Lordschaft warf einen betroffenen Blick auf seinen Gastgeber, doch Mr. Beaumaris erwiderte ihn nicht. Im Gegenteil, Mr. Beaumaris musterte die reiche Miss Tallant mit einem erwachenden Interesse, das nicht frei von Belustigung war.
»Ich hatte gehofft, daß ich wenigstens hier unbekannt bleiben könnte«, sagte Arabella und ließ sich in einen Stuhl, der etwas abseits vom Kamin stand, sinken. »Übrigens, darf ich Sie mit Miss Blackburn, meiner dame de compagnie, bekannt machen.«
Lord Fleetwood deutete eine Verneigung an; die erstarrte Miss Blackburn brachte einen angedeuteten Knicks zuwege und ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen.
»Miss Tallant«, wiederholte Lord Fleetwood und durchsuchte vergeblich sein Gedächtnis. »Ach ja, natürlich! Hatte ich… hatte ich jemals schon den Vorzug, Ihnen in London zu begegnen?«
Arabella wandte ihren unschuldigen Blick von ihm zu Mr. Beaumaris und wieder zurück, und in der Art, wie sie die Hände zusammenschlug, war Entzücken und staunende Betroffenheit. »Ach, Sie wußten nichts! Ich hätte es Ihnen gar nicht zu sagen brauchen! Und ich hatte mir bestimmt eingebildet, Sie wären auch so schlecht wie alle die andern. So etwas Komisches! Und dabei ist es mein einziger Wunsch, in London unbekannt zu sein.«
»Auf mich können Sie sich verlassen, Ma’am«, erwiderte Seine Lordschaft, denn Fleetwood hielt sich, wie die meisten Schwätzer, für den Inbegriff der Diskretion. »Mister Beaumaris ist, wie Sie wissen, in der gleichen Lage wie Sie und wird Verständnis für Sie haben.«
Arabella warf einen Blick auf ihren Gastgeber, der sein Lorgnon, das an einem schwarzen Band hing, aufgenommen hatte und sie aufmerksam musterte. Sie hob ein wenig das Kinn, um anzudeuten, daß ihr diese Prüfung mißfiel. »Wirklich?« fragte sie.
Es war keineswegs die Gepflogenheit der jungen Ladies, unmutig das Kinn zu heben, wenn Mr. Beaumaris sein Lorgnon auf sie richtete; eher gaben sie sich zimperlich, oder taten, als ob sie seinen Blick nicht bemerkten. Mr. Beaumaris aber verstand das kriegerische Funkeln in den Augen des Mädchens, und sein kaum erst erwachtes Interesse war nun wirklich gefangen. Er ließ das Glas fallen und sagte ernst: »Gewiß! Und Sie?«
»Ach, Sie können sich nicht vorstellen, was dieser fabelhafte Reichtum mir für Qualen bereitet!«
Seine Lippen zuckten. »Mir hat es immer scheinen wollen, als ob ein großes Vermögen doch gewisse Vorteile brächte.«
»Ach, Sie sind ein Mann! Sie begreifen eben nichts
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