Die bezaubernde Rivalin
immer noch einmal bei uns herein, bevor sie sich auf den Nachhauseweg macht.“
„Miss Claibourne … war ein wenig in Eile, Mr … Gareth“. Jordan hatte den Namen des Mannes vom Schildchen an dessen Uniform abgelesen. „Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ Als Gareth ihn zweifelnd ansah, fügte Jordan hinzu: „Ich bin Jordan Farraday.“
„Entschuldigen Sie, Sir, ich habe Sie erst gar nicht erkannt.“
„Das können Sie ja auch nicht. Das ist mein erster Tag hier … Also, worum geht es?“
„Nun …“ Der Mann hielt Jordan den Karton hin, und als Jordan sah, was sich darin befand, wusste er, wie er bei India wieder Boden gutmachen konnte.
In ihrem Penthouse mit Themseblick angekommen, duschte India erst einmal ausgiebig und zog sich danach etwas Bequemes an: ein altes T-Shirt und Leggins. Mit einer Tasse Tee setzte sie sich dann aufs Sofa. Den Karton mit den Akten ihres Vaters hatte sie schon beim Heraufkommen ins Wohnzimmer gestellt. Ob sie in den Unterlagen wohl etwas finden würde, das ihr all die Fragen beantwortete, die sich ihr in letzter Zeit stellten?
Hatte sich ihr Vater vor dreißig Jahren mit den Farradays überworfen? Und wenn ja, warum? Es hatte doch keinen männlichen Erben bei ihnen gegeben. Und wieso hatte ihr Vater sie nicht über den goldenen Aktienanteil informiert? Wusste Jordan etwas, das sie wissen sollte? Wieso brachte er den Claibournes eigentlich ein derartiges Ressentiment entgegen, obwohl er das Warenhaus nicht wirklich leiten wollte? Indias Meinung nach ging es ihm nur um die Aktienmehrheit, damit er das letzte Wort hatte, wenn es zu Weichen stellenden Entscheidungen kam. Wie zum Beispiel, ob man das Warenhaus endlich an eine der großen Einzelhandelsketten verkaufen sollte.
India wusste, dass ihr Vater derartige Angebote immer abgelehnt hatte. Er mochte sich nicht rund um die Uhr für das Warenhaus eingesetzt haben und mehr an den glamourösen Frauen interessiert gewesen sein, die bei ihm einkauften. Aber er hatte nicht den einfachsten Weg gewählt und das Warenhaus verkauft. Aber Jordan?
India unterdrückte ein Gähnen. Sie war müde und verwirrt und zog das erste Mal, seitdem man ihr den Brief von Jordans Anwälten auf den Schreibtisch gelegt hatte, ernsthaft in Erwägung, den Vorstandsvorsitz aufgeben zu müssen. Dann würde nichts aus ihren hoch-fliegenden Plänen für das Warenhaus, dem modernen Image und weltweiten Bekanntheitsgrad. Sie müsste womöglich einfach zurücktreten und hilflos zusehen, wie Jordan das Ruder übernahm.
Hilflos? Bisher war sie noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt und würde heute bestimmt nicht damit anfangen. Zu diesem Schluss gekommen, stellte sie die Teetasse auf den Wohnzimmertisch und nahm sich die erste Akte vor. Doch genau in diesem Moment klingelte es.
5. KAPITEL
Irgendwie war India über die Unterbrechung erleichtert und ging sofort zur Tür. „Okay, George, was brauchst du diesmal? Kaffee, Milch, Bro…?“ Das Wort erstarb ihr auf den Lippen, als sie sah, wer da draußen stand. Nicht etwa ihr Nachbar mit entschuldigendem Lächeln, sondern Jordan Farraday, der den Türrahmen mit seinen breiten Schultern regelrecht ausfüllte.
„India, ich …“
„Jordan, was machen Sie denn hier?“ Er hatte direkt an ihrer Wohnungstür geklingelt und war nicht vom Sicherheitsmann angekündigt worden, der die Eigentümer der Luxuswohnanlage vor ungebetenen Gästen schützen sollte. Wobei ein Jordan Farraday ganz oben auf ihrer, Indias, Liste stand.
„Es tut mir leid, India, eigentlich wollte ich Sie um diese Uhrzeit nicht mehr stören“, sagte er, sah aber kein bisschen so aus. „Dummerweise konnte das hier nicht bis morgen warten.“
Er hielt ihr einen ziemlich ramponierten Karton hin, der überhaupt nicht zu seinem Designeranzug passen wollte. Aber India weigerte sich nachzusehen, was sich in dem Karton befand. Sie wollte erst einmal die Frage beantwortet haben, die ihr auf der Zunge lag: „Wie, zum Teufel, sind Sie hier hereingekommen?“
„Ich bin froh, dass Sie das ansprechen. Gerade wollte ich anmerken, wie lax in diesem Gebäudekomplex das Thema ‚Sicherheit‘ gehandhabt wird.“ Dabei machte er sich Indias Überraschung zunutze und kam unaufgefordert ins Apartment. Immerhin hatte sie ihm die Tür weit aufgehalten, oder nicht?
Im Flur drehte er sich dann zu ihr um und erklärte: „Als ich unten an der Haustür war, kam gerade eine Frau heraus. Sie hat gesehen, dass ich keine Hand mehr freihatte,
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