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Die Bibel nach Biff

Die Bibel nach Biff

Titel: Die Bibel nach Biff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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vielleicht sein Fell. Oder wenn die Affen - ich weiß nicht - Vieh und Schafe halten, werden sie immer größer. Nicht mit einem Mal, aber durch mehrere Inkarnationen. Vielleicht entwickeln sich die Tiere genauso wie Kaspar es im Falle der Seelen annimmt. Was meinst du?«
    Josua strich sich eine Weile über das Kinn und sah mich an, als sei er tief in Gedanken versunken, während ich gleichzeitig dachte, er würde vielleicht jeden Augenblick vor Lachen losprusten. Eine ganze Woche hatte ich mit solchen Überlegungen verbracht. Meine Theorie hatte mich während des Trainings und während meiner Meditation verfolgt, seit wir ins Tal des Yeti gepilgert waren. Für meine Bemühungen wollte ich wenigstens irgendeine Anerkennung von Josua.
    »Biff«, sagte er. »Das könnte gut und gerne die dümmste Idee sein, die du je hattest.«
    »Also hältst du es für unmöglich?«
    »Wozu sollte der Herr ein Lebewesen erschaffen, um es dann aussterben zu lassen? Warum sollte der Herr das erlauben?«
    »Was ist mit der Sintflut? Bis auf Noah und seine Familie sind alle umgekommen.«
    »Aber nur, weil die Leute böse waren. Der Yeti ist nicht böse. Wenn überhaupt, ist seine Art ausgestorben, weil sie zur Bosheit unfähig ist.«
    »Du bist Gottes Sohn. Erklär es mir.«
    »Es ist Gottes Wille«, sagte Josua, »dass der Yeti verschwindet.«
    »Weil er keinen Funken Bosheit in sich trägt?«, sagte ich sarkastisch. »Wenn der Yeti kein Mensch ist, dann ist er auch kein Sünder. Er ist unschuldig.«
    Josua nickte und starrte in seine mittlerweile leere Schale.
    »Ja. Er ist unschuldig.« Er stand auf und verbeugte sich vor mir, was er fast nie tat, sofern wir nicht trainierten. »Ich bin müde, Biff. Ich muss schlafen und beten.«
    »Tut mir Leid, Josh. Ich wollte dich nicht traurig stimmen. Ich dachte, es wäre eine interessante Theorie.«
    Kraftlos lächelte er mich an, dann verneigte er sich leicht und schlurfte in seine Zelle.

    Im Lauf der folgenden fünf Jahre verbrachte Josua jeden Monat mindestens eine Woche beim Yeti in den Bergen, brachte nicht nur mit jeder Gruppe die Almosen hinauf, sondern ging tagelang - im Sommer auch wochenlang - ganz allein in die Berge. Er sprach nicht darüber, was er dort oben trieb, nur einmal erzählte er mir, der Yeti habe ihn mit in seine Höhle genommen und ihm die Knochen von seinesgleichen gezeigt. Irgendetwas hatte mein Freund beim Yeti gefunden, und wenn es mir auch am Mut mangelte, ihn danach zu fragen, vermute ich doch, dass ihn mit dem Schneemenschen das Wissen um die eigene Einzigartigkeit verband, das Wissen, dass auf dem Antlitz der Erde nichts und niemand wandelte, das ihnen ähnlich gewesen wäre, und trotz der Verbindung, die beide zu Gott und dem Universum spüren mochten, waren sie zu dieser Zeit, an diesem Ort - voneinander abgesehen - einsam und allein.
    Kaspar verbot Josuas Wallfahrten nicht und gab sich alle Mühe, so zu tun, als merkte er nicht, wenn Mönch Zweiundzwanzig fort war. Und doch war die innerliche Unruhe des Abtes zu spüren, sobald Josua sich wieder in die Berge aufgemacht hatte.
    Beide übten wir immer weiter mit den Pfählen, und nach zwei Jahren des Springens und Balancierens fügte man unserem Training Tanzübungen und Lektionen im Gebrauch von Waffen hinzu. Josua weigerte sich, jedwede Waffe in die Hand zu nehmen, verweigerte im Grunde jede Kunst, die einem anderen Wesen schaden konnte. Er wollte nicht einmal mit einem Bambusstock so tun, als kämpften wir mit Schwertern und Speeren. Anfangs schäumte Kaspar bei Josuas Weigerung und drohte, ihn aus dem Kloster zu verstoßen. Doch als ich den Abt beiseite nahm und ihm die Geschichte von dem Bogenschützen erzählte, den Josua auf unserem Weg zu Balthasars Festung geblendet hatte, lenkte der Abt ein. Er und zwei der älteren Mönche, die einst Soldaten gewesen waren, ersannen für Josua eine waffenlose Kampfkunst ohne Angriff oder Schläge, bei welcher man stattdessen die Energie eines Angreifers von sich ablenkte. Da diese neue Kunst nur von Josua - und manchmal von mir - ausgeübt wurde, nannten die Mönche sie Ju-do, was so viel bedeutete wie: der Weg des Juden.
    Zusätzlich zum Unterricht in Kung-Fu und Ju-do lehrte uns Kaspar, Sanskrit zu sprechen und zu schreiben. Die meisten heiligen Bücher über den Buddhismus waren in dieser Sprache verfasst und mussten noch ins Chinesische übersetzt werden, was Josua und ich inzwischen fließend beherrschten.
    »Es ist die Sprache meiner Kindheit«, sagte Kaspar,

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