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Die Bibel nach Biff

Die Bibel nach Biff

Titel: Die Bibel nach Biff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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fern von ihm.
    BHAGVAD GITA

20
    Der Weg war gerade breit genug, dass wir zu zweit nebeneinander laufen konnten. Das Gras ragte zu beiden Seiten so hoch auf, dass nicht einmal ein Elefant hätte darüber hinwegsehen können. Wir sahen den blauen Himmel über uns und bis zur nächsten Kurve, die unsagbar weit entfernt sein mochte, denn in so einem durchgehenden, grünen Graben gibt es nichts, woran man sich orientieren könnte. Fast den ganzen Tag waren wir schon auf diesem Weg gelaufen und hatten lediglich einen alten Mann und ein paar Kühe passiert, bis uns etwas entgegenkam, das sich wie eine große Reisegesellschaft anhörte, nicht weit entfernt, zweihundert Meter vielleicht. Es waren Männerstimmen, viele Männerstimmen und Schritte, einige dissonante Metalltrommeln und - was am beunruhigendsten war - die beständigen Schreie einer Frau, vor Schmerz oder Entsetzen oder beidem.
    »Junge Herren!«, erklang eine Stimme aus unserer Nähe.
    Ich sprang in die Luft und landete in Verteidigungsstellung, den schwarzen Glasdolch gezückt und kampfbereit. Josua sah sich um, ohne die Stimme lokalisieren zu können. Die Schreie kamen näher. Es raschelte im Gras, nur ein paar Schritte neben dem Weg, dann wieder diese Stimme: »Junge Herren, Ihr müsst Euch verstecken.«
    Ein unfassbar mageres Männergesicht mit Augen, die anderthalbmal zu groß für seinen Schädel waren, ragte aus der Graswand neben uns. »Kommt schnell! Kali ist unterwegs, um ihre Opfer auszuwählen! Kommt, oder Ihr müsst sterben.«
    Das Gesicht verschwand, es wich einer kantigen, braunen Hand, die uns winkte, ihr ins Gras zu folgen. Das Geschrei der Frau schwoll an und brach urplötzlich ab, als wäre die Stimme gerissen, wie eine zu stramme Lautensaite.
    »Los«, sagte Josua und stieß mich ins Gras.
    Sobald ich von der Straße war, nahm jemand mein Handgelenk und zerrte mich durch das Grasmeer. Josua klammerte sich an mein Gewand und ließ sich mitschleifen. Im Laufen stach und peitschte das Gras nach uns. Ich spürte, wie es mein Gesicht und meine Arme blutig schlug, während mich das braune Gespenst immer tiefer ins grüne Meer zog. Neben meinem keuchenden Atem hörte ich hinter uns Männer brüllen, dann Schritte, die Gras niedertrampelten.
    »Sie folgen uns«, sagte das braune Gespenst über seine Schulter hinweg. »Lauft, wenn ihr nicht wollt, dass eure Köpfe Kalis Altar zieren. Lauft!«
    Über meine Schulter hinweg sagte ich zu Josh: »Er sagt, wir sollen laufen, sonst geht es uns schlecht.« Hinter Josh überzogen den blauen Himmel lange, schwertähnliche Speere.
    »Okey-dokey«, sagte Josh.

    Mehr als einen Monat hatten wir gebraucht, um nach Indien zu gelangen, den größten Teil der Reise durchquerten wir die höchst gelegene, zerklüftetste Landschaft, die wir je gesehen hatten. Erstaunlicherweise gab es überall in den Bergen verstreute Dörfer, und sobald die Dorfbewohner unsere orangenfarbenen Gewänder sahen, öffneten sie ihre Türen und Speisekammern. Stets gab man uns zu essen und einen warmen Platz zum Schlafen und lud uns ein, so lange zu bleiben, wie wir wollten. Im Gegenzug boten wir ihnen kryptische Gleichnisse und nervende Gesänge, wie es Tradition war.
    Erst als wir aus den Bergen auf sengend heißes, feuchtes Grasland kamen, mussten wir feststellen, dass man unserer Kleiderordnung eher mit Verachtung als mit Freude begegnete. Ein Mann von offensichtlichem Reichtum - er ritt auf einem Pferd und trug Seidenkleider - fluchte und spuckte uns an, als wir an ihm vorüberkamen. Auch andere, die zu Fuß auf Reisen waren, nahmen nun Notiz von uns, so dass wir eilig im hohen Gras verschwanden und unsere Gewänder ablegten. Ich schob den Glasdolch, den ich von Wonne erhalten hatte, in meine Schärpe.
    »Was hat der da eben erzählt?«, fragte ich Josua.
    »Er sagte etwas von Verkündern falscher Prophezeiungen. Heuchlern. Feinden des Brahman, was immer das auch sein mag. Ich weiß nicht, was noch.«
    »Tja, anscheinend sind wir hier als Juden willkommen, als Buddhisten nicht so.«
    »Fürs Erste«, sagte Josua. »Alle Leute tragen diese Punkte auf der Stirn, wie Kaspar gesagt hat. Ich glaube, ohne so was müssen wir hier vorsichtig sein.«
    Als wir weiter in die Tiefebene wanderten, wurde die Luft dick wie warme Sahne, und nach so vielen Jahren in den Bergen spürten wir einen Druck auf unseren Lungen. Wir kamen in das Tal eines breiten, schlammigen Flusses, und auf der Straße drängten die Menschen in eine Stadt aus Holzhütten und

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