Die Bibel nach Biff
mit dem Fuß. »Ich warte.«
»Aber ...«
»Willst du einer alten Frau den letzten Wunsch verwehren?«
»Ihr liegt noch nicht im Sterben.«
»Du bringst mich gerade um. Geh fragen. Geh.«
Verlegen sah Josua uns alle an. Wir wandten uns ab, Feiglinge, die wir waren. Keiner von uns hatte je gelernt, mit einer jüdischen Mutter fertig zu werden.
»Ich gehe auf den Berg da rauf und frage ihn«, sagte Josua und deutete auf den höchsten Gipfel in der Gegend.
»Na, dann geh. Willst du, dass ich zu spät zum Passahfest komme?«
»Gut. Also, ich geh fragen, jetzt gleich.« Langsam wich Josua zurück, trollte sich auf den Berg. Ich glaube, es war der Berg Tabor.
Frau Zebedäus machte sich über ihre Jungen her, als scheuchte sie Hühner aus dem Garten. »Was seid ihr, Salzsäulen? Geht mit ihm!«
Petrus lachte, und sie fuhr mit ihrem Stock herum, bereit, ihm den Schädel einzuschlagen. Petrus tat, als müsse er husten.
»Ich sollte lieber mitgehen, äh, für den Fall, dass sie einen Zeugen brauchen.« Eilig lief er Josua und den anderen beiden nach.
Funkelnd sah die Frau mich an. »Was guckst du so? Meinst du, der Schmerz der Geburt endet, wenn sie aus dem Haus sind? Was weißt du denn schon? Haben sie dir etwa schon mal das Herz gebrochen?«
Die ganze Nacht blieben sie fort, eine sehr lange Nacht, in der wir alle manches über Jakobus' und Johannes' Vater Zebedäus erfuhren, der offenbar den Mut Daniels, die Weisheit Salomos, die Kraft Samsons, die Hingabe Abrahams, das blendende Aussehen Davids und den Kampfgeist Goliaths besessen hatte, Gott sei seiner Seele gnädig. (Komisch, dass Jakobus seinen Vater stets als zappeligen, lispelnden, kleinen Kerl beschrieb.) Als die vier wieder über den Berg kamen, sprangen wir alle auf und rannten ihnen entgegen. Ich hätte sie auf den Schultern getragen, wenn es die alte Frau zum Schweigen gebracht hätte.
»Also?«, sagte sie.
»Es ist erstaunlich«, sagte Petrus zu uns allen, ignorierte die alte Frau. »Drei Throne haben wir gesehen. Moses saß auf einem. Elias auf einem anderem, und der dritte stand für Josua bereit. Eine mächtige Stimme kam vom Himmel her und sagte: >Das ist mein Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.<«
»O ja, das hat er schon mal gesagt«, meinte ich.
»Diesmal habe ich es gehört«, sagte Josua lächelnd.
»Also nur drei Stühle?«, sagte Frau Zebedäus. Sie sah ihre beiden Söhne an, die hinter Josua kauerten. »Kein Platz mehr für euch zwei.« Schon taumelte sie rückwärts, fort von den beiden, drückte ihre Hand ans Herz. »Da kann man sich wohl für die Mütter von Moses und Elias und von diesem Nazarener- jungen freuen. Sie müssen nicht erfahren, was es heißt, einen Stachel im Herzen zu tragen.«
Und damit hinkte sie ans Ufer, fort nach Jerusalem.
Josua drückte den Brüdern die Schultern. »Ich kümmere mich darum.« Er lief Frau Zebedäus nach.
Maggie stieß mich mit dem Ellbogen, und als ich mich nach ihr umsah, hatte sie Tränen in den Augen. »Er irrt sich nicht«, sagte sie.
»Ich hab's«, sagte ich. »Bitte seine Mutter, es ihm auszureden. Niemand kann ihr widerstehen ... ich meine, ich nicht. Ich meine, sie ist nicht du, aber ... sieh doch! Ist das eine Möwe?«
TEIL SECHS
Passion
Nobody is perfect ... na ja, da war dieser eine Typ, aber wir haben ihn umgebracht.
ANONYM
Sonntag
Josuas Mutter und sein Bruder Jakobus fanden uns draußen vor dem Goldenen Tor von Jerusalem, wo wir auf Bartholomäus und Johannes warteten, die Ausschau hielten, ob Nathanael und Philippus inzwischen Jakobus und Andreas gefunden hatten, die Judas und Thomas suchen wollten, nachdem wir sie in die Stadt geschickt hatten, um Petrus und Maggie zu finden, die Thaddäus und Simon suchten, die einen Esel auftreiben wollten.
»Man müsste meinen, sie hätten inzwischen einen gefunden«, sagte Maria.
Nach der Prophezeiung sollte Josua auf einer jungen Eselin in der Stadt Einzug halten. Natürlich würde niemand eine finden. Das war der Plan. Selbst Josuas Bruder Jakobus hatte eingewilligt, an der Verschwörung teilzunehmen. Er war vorausgegangen, um drinnen am Tor zu warten, nur für den Fall, dass einer der Jünger nicht begriffen hatte, worum es ging und tatsächlich mit einem Esel wiederkam.
Etwa tausend von Josuas Anhängern aus Galiläa hatten sich auf der Straße zum Goldenen Tor versammelt. Mit Palmwedeln säumten sie den Weg für Josuas Ankunft in der Stadt, und sie jubelten und sangen den ganzen Nachmittag ihr Hosianna, freuten sich
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