Die Bibel nach Biff
blauen, juwelenbesetzten Robe voraus. Annas, sein Vater, der vor ihm Hohepriester gewesen war, folgte direkt hinter ihm. Ein Wachtrupp führte Josua in seiner Mitte. Zwischen den Soldaten konnten wir ihn gerade eben sehen, und ich bemerkte, dass man ihm zwar eine frische Tunika übergeworfen hatte, aber an seinem Rücken blutige Striemen durchsickerten. Er ging wie in Trance.
Es gab einiges Gehabe und Befehlsgebrüll unter den Tempelwachen, und von irgendwo aus der Prozession trat Jakan vor und brach ebenfalls mit den Soldaten einen Streit vom Zaun. Offensichtlich wollten die Römer die Tempelwachen nicht ins Präto- rium lassen, so dass die Gefangenenübergabe am Tor oder gar nicht stattfinden würde. Ich schätzte ab, ob ich mich durch die Menge stehlen, Jakan das Genick brechen und mich wieder davonschleichen konnte, ohne unseren Plan zu gefährden, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich drehte mich um und sah Josef von Arimathäa.
»Wenigstens war es keine römische Geißel, mit der sie ihn ausgepeitscht haben. Neununddreißig Hiebe hat er bekommen, aber es war nur Leder, keine Peitsche mit Bleispitze, wie sie die Römer verwenden. Die hätte ihn getötet.«
»Wo warst du? Was hat dich aufgehalten?«
»Der Prozess hat ewig gedauert. Jakan hat die halbe Nacht gebraucht, Aussagen von Zeugen aufzunehmen, die offenbar weder je von Josua gehört, noch irgendein Verbrechen gesehen hatten.«
»Was war mit seiner Verteidigung?«, fragte Maggie.
»Na, ich habe zu seiner Verteidigung die guten Taten angeführt, wurde aber so sehr mit Anschuldigungen überhäuft, dass sie im Lärm untergingen. Josua hat kein einziges Wort zu seiner Verteidigung gesagt. Sie haben ihn gefragt, ob er Gottes Sohn sei, und er hat Ja gesagt. Das hat den Vorwurf der Gotteslästerung bestätigt. Mehr brauchten sie eigentlich nicht.«
»Was passiert jetzt? Hast du mit Pilatus gesprochen?«
»Hab ich.«
»Und?«
Josef rieb an seinem Nasenrücken herum, als kämpfte er gegen Kopfschmerzen. »Er hat gesagt, er will sehen, was er tun kann.«
Wir sahen, wie die römischen Soldaten Josua hineinbrachten und die Priester ihnen folgten. Die Pharisäer, in den Augen der Römer nur gewöhnliche Bürger, blieben draußen. Ein Legionär klemmte beinah Jakans Gesicht ein, als er ihm das Tor vor der Nase zuknallte.
Im Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr, und ich blickte zu einem hohen, breiten Balkon auf, der über den Palastmauern zu sehen war. Die Architekten Herodes' des Großen hatten ihn offenbar als Bühne entworfen, von welcher aus der König zu den Massen im Tempel sprechen konnte, ohne seine Sicherheit zu gefährden. Ein großer Römer in dunkelroter Robe stand auf dem Balkon, sah auf die Menge herab und schien über deren Gegenwart nicht eben glücklich zu sein.
»Ist das Pilatus?«, fragte ich Josef und zeigte auf den Römer.
Josef nickte. »Er wird gleich runtergehen, um Josua den Prozess zu machen.«
Aber mich interessierte in diesem Moment nicht, wohin Pilatus ging. Mich interessierte der Zenturio, der mit imposantem Helmbusch und der Brustplatte eines Legionskommandeurs hinter ihm stand.
Keine halbe Stunde später wurde das Tor geöffnet und ein Trupp von römischen Soldaten brachte Josua in Fesseln aus dem Palast. Ein untergeordneter Zenturio zog Josua an einem Seil hinterher, das dessen Handgelenke zusammenschnürte. Die Priester folgten ihnen und wurden von den wartenden Pharisäern mit Fragen überhäuft.
»Geh und finde raus, was los ist«, sagte ich zu Josef.
Wir mischten uns unter die nachfolgende Prozession. Die meisten schrien Josua an und versuchten, ihn anzuspucken. Ich sah in der Menge einige Leute, die ich als seine Gefährten kannte, aber sie liefen schweigend mit und blickten unruhig in die Runde, als fürchteten sie, die Nächsten zu sein.
Simon, Andreas und ich folgten mit einigem Abstand, während sich Maggie durch die Menge kämpfte, um zu Josua zu gelangen. Ich sah, wie sie sich auf ihren Ex-Mann Jakan stürzte, der hinter den Priestern ging, doch Josef von Arimathäa hielt sie auf, packte sie am Haar und riss sie zurück. Noch jemand half, sie aufzuhalten, aber er trug ein Tuch um seinen Kopf, so dass ich nicht sagen konnte, wer es war. Vermutlich Petrus.
Josef schleppte Maggie zu uns zurück und übergab sie mir und Simon.
»Sie wird sich noch umbringen.«
Maggie sah zu mir auf, mit wildem Blick, wohl Zorn oder Wahnsinn. Ich schlang meine Arme um sie und hielt sie fest, so dass sie ihre
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