Die Bibel nach Biff
nicht anhören wollen.«
»Du klingst, als wäre er bereits verurteilt«, sagte ich.
»Ich will mein Bestes tun.« Josef klang nicht eben zuversichtlich.
»Bring uns zu ihm.«
»Damit sie euch beide verhaften? Wohl kaum. Ihr bleibt hier. Ihr könnt die beiden Zimmer oben nehmen. Ich komme wieder oder schicke euch Nachricht, sobald etwas passiert.«
Josef nahm Maggie in die Arme und küsste ihr Haar, dann ging er hinaus, um sich anzukleiden.
»Traust du ihm?«, sagte Maggie.
»Er hat Josua schon mal gewarnt, als sie ihn töten wollten.«
»Ich trau ihm nicht.«
Maggie und ich warteten den ganzen Tag im oberen Zimmer, sprangen jedes Mal auf, wenn wir Schritte auf der Straße hörten, bis wir erschöpft waren und vor Sorge zitterten. Ich bat eine von Josefs Dienerinnen, hinunter zum Palast des Hohepriesters zu laufen, um nachzusehen, was vor sich ging. Kurz darauf kam sie wieder und berichtete, der Prozess sei noch im Gange.
Maggie und ich bauten uns ein Nest aus Kissen unter dem breiten Fensterbogen mit Blick auf die Straße, damit wir noch den leisesten Laut hörten, doch als es dunkel war, wurden die Schritte weniger und seltener, der ferne Gesang vom Tempel her verklang, und wir hielten einander in den Armen, ein einziges Bündel drückender, quälender Trauer. Irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit liebten wir uns zum ersten Mal seit jener Nacht, bevor Josua und ich in den Orient aufgebrochen waren. So viele Jahre waren vergangen, und doch schien es vertraut. Damals, vor so langer Zeit, war unser Liebesakt ein verzweifelter Versuch gemeinsamer Trauer gewesen, weil wir beide jemanden verlieren sollten, den wir liebten. Diesmal verloren wir denselben Menschen tatsächlich. Diesmal schliefen wir danach zusammen ein.
Josef von Arimathäa kehrte nicht nach Hause zurück.
Donnerstag
Es waren Simon und Andreas, die am Donnerstagmorgen die Treppe heraufgelaufen kamen, um uns zu wecken. Ich warf meine Tunika über Maggie und schürzte meine Lenden, als ich aufsprang. Sobald ich Simon sah, fühlte ich, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg.
»Du verräterischer Hundesohn!« Ich war zu wütend, ihn zu schlagen. Ich stand nur da und schrie ihn an. »Du Feigling!«
»Er war es nicht«, schrie mir Andreas ins Ohr.
»Ich war es nicht«, sagte Simon. »Ich habe versucht, die Wachen abzuwehren, als sie kamen, um Josua zu holen. Petrus und ich, wir haben es beide versucht.«
»Judas war dein Freund. Ihr und euer Zelotenscheiß!«
»Er war auch dein Freund.«
Andreas stieß mich zurück. »Genug! Simon war es nicht. Ich habe gesehen, wie er zwei bewaffneten Wachen gegenüberstand. Lass ihn in Frieden. Wir haben keine Zeit für deine Wutanfälle, Biff. Man peitscht Josua im Palast des Hohepriesters aus.«
»Wo ist Josef?«, sagte Maggie. Sie hatte sich angezogen, während ich Simon beschimpfte.
»Er ist zum Prätorium gegangen, das Pilatus in der Burg Antonia beim Tempel eingerichtet hat.«
»Was zum Teufel macht er da drüben, wenn man Josua auf dieser Seite der Stadt foltert?«
»Dorthin bringen sie Josua als Nächstes. Man hat ihn wegen Gotteslästerung verurteilt, Biff. Sie fordern die Todesstrafe. Pontius Pilatus hat die Befehlsgewalt in Judäa. Josef kennt ihn. Er will um Josuas Freilassung bitten.«
»Was sollen wir tun? Was sollen wir tun?« Langsam wurde ich hysterisch. Seit ich denken konnte, war meine Freundschaft zu Josua mein Halt gewesen, mein Lebenssinn, mein Leben selbst. Nun steuerte es - er - auf den Untergang zu, wie ein sturmgebeuteltes Schiff, das auf ein Riff zuhielt, und mir fiel nichts Besseres ein, als in Panik zu geraten. »Was sollen wir tun? Was sollen wir tun?«, hechelte ich und konnte keine Luft in meine Lungen bringen. Maggie packte mich bei den Schultern und schüttelte mich.
»Denk an deinen Plan.« Sie zog am Amulett um meinen Hals.
»Stimmt, ja, stimmt«, atmete ich tief durch. »Stimmt. Der Plan.« Ich nahm meine Tunika und zog sie mir über den Kopf. Maggie half mir, die Schärpe umzulegen.
»Tut mir Leid, Simon«, sagte ich.
Er verzieh mir, winkte ab. »Was sollen wir tun?«
»Wenn sie Josua ins Prätorium bringen, gehen wir auch dahin. Falls Pilatus ihn freilässt, müssen wir ihn rausholen. Man kann nicht wissen, was Josh alles anstellt, um sich umbringen zu lassen.«
Gemeinsam mit einer großen Menschenmenge warteten wir vor der Burg Antonia, als die Tempelwachen Josua ans vordere Tor führten. Kaiphas, der Hohepriester, ging der Prozession in seiner
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