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Die Bibel nach Biff

Die Bibel nach Biff

Titel: Die Bibel nach Biff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Stockwerken, und obwohl sich die Festung über die gesamte Felswand erstreckte, war kein Raum weit vom nächsten Fenster entfernt. Oberhalb vom Erdgeschoss fiel überall Licht durch die Fenster, und bald verflog das unheimliche Gefühl, das uns beim Eintreten befallen hatte. Der Stein der Wände war gelber als der Kalkstein von Jerusalem, und doch war seine Oberfläche nicht minder glatt. Insgesamt bekam man den Eindruck, als wandelte man durch die polierten Eingeweide irgendeines riesenhaften Lebewesens.
    »Habt Ihr das alles erschaffen, Balthasar?«, fragte ich.
    »O nein«, sagte er, ohne sich umzusehen. »Dieser Bau war schon immer da. Ich musste nur den Stein vor dem Eingang beiseite rollen.«
    »Ach«, sagte ich, ohne auch nur das Geringste verstanden zu haben.
    Nirgendwo kamen wir an Türen vorüber, nur an unzähligen Bogen und Rundportalen, die zu Kammern von unterschiedlichster Form und Größe führten. Als wir einen eierförmigen Eingang passierten, verhängt mit einem Perlenvorhang, murmelte Balthasar: »Die Mädchen sind da drinnen.«
    »Mädchen?«, sagte ich.
    »Mädchen?«, sagte Josua.
    »Ja, Mädchen, ihr Hosenscheißer«, sagte Balthasar. »Menschen ... fast wie ihr, aber klüger, und sie riechen besser.«
    Nun, das wusste ich. Ich meine, wir hatten zwei davon gesehen, oder nicht? Ich wusste, was Mädchen sind.
    Er lief voraus, bis wir zur weit und breit einzigen Tür kamen, auch diese ein riesengroßes, beschlagenes Monstrum, verriegelt mit drei Eisenbolzen - so dick wie mein Arm - und einem schweren Messingschloss, in das sonderbare Zeichen graviert waren. Der Magier blieb stehen und hielt ein Ohr an die Tür. Klirrend schlug sein schwerer Goldring an einen der Bolzen. Er wandte sich zu uns um und flüsterte, und zum ersten Mal sah ich deutlich, dass der Magier sehr alt sein musste, trotz der lauten Lache und seines federnden Ganges. »Solange ihr hier seid, könnt ihr gehen, wohin ihr wollt. Nur diese eine Tür dürft ihr unter keinen Umständen öffnen. Xiong zai.«
    »Xiong zai«, wiederholte ich für Josua, falls er es nicht mitbekommen hatte.
    » Xiong zai.« Er nickte, auch wenn er kein Wort verstanden hatte.

    Die Menschheit dürfte vermutlich so gestrickt sein, dass ihr Antrieb - ihre Motivation - die Versuchung ist. Wenn denn Fortschritt eine Tugend darstellt, dann ist sie unsere größte Gabe. (Denn was ist Neugier anderes als intellektuelle Versuchung?
    Und welcher Fortschritt wäre ohne Neugier möglich?) Andererseits ... lässt sich eine derart profunde Schwäche als Gabe bezeichnen, oder ist sie nur ein Fehler im System? Ist die Versuchung selbst schuld am Kummer der Menschen, oder doch nur sein mangelndes Urteilsvermögen als Reaktion auf die Versuchung? Mit anderen Worten, wer hat Schuld? Die Menschheit oder ein schlechter Schöpfer? Denn hätte Gott Adam und Eva nie gesagt, dass sie die Frucht vom Baum der Erkenntnis meiden sollen, liefe die Menschheit noch immer nackt herum, tanzte ahnungslos und würde selig zwischen Häppchen, Nickerchen und Schäferstündchen den Dingen einen Namen geben. Und wäre Balthasar an jenem ersten Tag wortlos an dieser eisenbeschlagenen Tür vorübergegangen, hätte ich sie vielleicht keines zweiten Blickes gewürdigt, und auch mancher Ärger hätte sich vermeiden lassen. Trage ich die Schuld an allem, was geschehen ist, oder der Erfinder der Versuchung, Gottvater höchstpersönlich?

    Balthasar führte uns in eine prunkvolle Kammer mit Seidentüchern an den Wänden und feinen Teppichen und Kissen am Boden. Wein, Obst, Käse und Brot lagen auf mehreren flachen Tischen bereit.
    »Ruht aus und erfrischt euch«, sagte Balthasar. »Ich komme wieder, wenn ich meine Geschäfte mit Ahmad geregelt habe.«
    Er wandte sich ab und ließ uns allein.
    »Gut«, sagte ich. »Finde raus, was du von ihm wissen willst, dann machen wir uns wieder auf den Weg und suchen den nächsten Weisen.«
    »Ich weiß nicht, ob es so schnell geht. Es könnte sein, dass wir hier eine Weile bleiben. Jahre vielleicht.«
    »Jahre? Josua, wir sind hier am Arsch der Welt. Wir können hier nicht Jahre bleiben.«
    »Biff, wir sind am Arsch der Welt aufgewachsen. Wo ist der Unterschied?«
    »Mädchen«, sagte ich.
    »Was ist mit denen?«, fragte Josua.
    »Fang nicht schon wieder damit an.«
    Wir hörten Gelächter, das den Korridor entlang ins Zimmer schwappte, und kurz darauf folgten Balthasar und Ahmad, die sich auf die Kissen warfen und sich an Käse und Obst gütlich taten, das dort

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