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Die Bibel nach Biff

Die Bibel nach Biff

Titel: Die Bibel nach Biff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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vermutete ich.
    »Ich sehe ein, dass es sie betrüben muss«, sagte Josua. »Vielleicht könntest du dein Kamel dazu bewegen, dich zu beißen. Mich jedenfalls bringt es immer besser drauf.«
    Wortlos ritt ich voraus. Es ist ausgesprochen verdrießlich, so etwas Revolutionäres wie Sarkasmus erfunden zu haben und mit ansehen zu müssen, wie es von Amateuren missbraucht wird.
    In Kabul führte Wonne die Suche nach dem blinden Wächter an, indem sie alle blinden Bettler fragte, an denen wir auf dem Marktplatz vorüberkamen. »Habt Ihr einen blinden Bogenschützen gesehen, der vor etwas über einer Woche mit einer Kamelkarawane hier angekommen ist?«
    Josua und ich hielten uns ein paar Schritte hinter ihr, verzweifelt bemüht, nicht zu grinsen. Josua hatte auf Wonnes methodischen Fehler hinweisen wollen, während ich ihre Dämlichkeit auskosten wollte, als stille Rache dafür, dass sie mich vergiftet hatte. Sie zeigte nichts von dem Geschick und selbstsicheren Wesen, das wir aus der Festung von ihr kannten. Hier war sie offensichtlich nicht in ihrem Element, und das freute mich.
    »Siehst du«, sagte ich zu Josua, »was Wonne tut, ist die reine Ironie, ohne dass es ihre Absicht wäre. Das ist der Unterschied zwischen Ironie und Sarkasmus. Ironie kann spontan sein, wohingegen der Sarkasmus einem Akt der Willenskraft entspringt. Sarkasmus muss man herstellen.«
    »Echt wahr?«, sagte Josua.
    »Wieso vergeude ich meine Zeit mit dir?«
    Eine weitere Stunde beobachteten wir Wonnes Suche nach dem blinden Mann, dann lenkten wir ihre Erkundigungen auf die Sehenden und insbesondere auf Männer der Kamelkarawanen. Nachdem sie begonnen hatte, Sehende zu befragen, dauerte es nicht lange, bis man uns zu einem Tempel schickte, vor dem der blinde Wächter sein Bettlerrevier abgesteckt hatte.
    »Da ist er«, sagte Josua und deutete auf einen zerlumpten Haufen Mensch. Dieser winkte den Gläubigen, die im Tempel ein und aus gingen.
    »Sieht aus, als hätte er es nicht ganz einfach gehabt«, sagte ich staunend, weil der Wächter - einst der forscheste (und furchterregendste) Mann, den ich je gesehen hatte - in so kurzer Zeit zu einer derart jämmerlichen Gestalt verkommen war. Andererseits stellte ich wohl die Dramatik seiner Lage nicht in Rechnung.
    »Eine große Ungerechtigkeit ist hier geschehen«, sagte Josh. Er trat vor den Wächter und legte dem blinden Mann seine Hand auf die Schulter. »Bruder, ich bin gekommen, um dich von deinem Leid zu erlösen.«
    »Habt Mitleid mit den Blinden«, sagte der Wächter und schwenkte eine Holzschale.
    »Beruhige dich«, sagte Josua und legte ihm eine Hand auf die Augen. »Wenn ich meine Hand zurückziehe, wirst du wieder sehen.«
    Ich konnte die Anstrengung in Josuas Gesicht erkennen, als er sich darauf konzentrierte, den Wächter zu heilen. Tränen rannen über seine Wangen und tropften auf die Steine. Ich dachte daran, wie wirkungslos sein Bemühen um Heilung in Antiochia gewesen war, und merkte, dass die Anstrengung nicht vom Heilen herrührte, sondern von der Schuld, die ihn bedrückte, weil er den Mann geblendet hatte. Als er seine Hand zurückzog und einen Schritt zur Seite tat, lief ihm und auch dem Wächter ein Schauer über den Rücken.
    Wonne wich vor uns zurück und hielt die Hände vors Gesicht, als wollte sie sich etwaiger Blähungen erwehren.
    Der Wächter starrte ins Leere, wie er es beim Betteln getan hatte, doch waren seine Augen nicht mehr weiß.
    »Kannst du sehen?«, sagte Josua.
    »Ich kann sehen, aber alles ist falsch. Die Haut der Menschen scheint mir blau.«
    »Nein, er ist tatsächlich blau. Erinnere dich: mein Freund Biff.«
    »Warst du schon immer blau?«
    »Nein, erst seit kurzem.«
    Dann schien der Wächter Josua überhaupt erst wahrzunehmen, und seine erstaunte Miene wich blankem Hass. Er zog einen Dolch aus seinen Lumpen und stürzte sich auf Josua. Mit einem einzigen Hieb hätte er meinem Freund den Brustkorb gespalten, hätte Wonne ihm nicht im letzten Augenblick ein Bein gestellt. Doch sprang er gleich wieder auf und startete den zweiten Angriff. Ich war schnell genug, ihm noch eben rechtzeitig mit dem Finger in die Augen zu stechen, während Wonne ihm in den Nacken trat, was ihn vor Schmerz zu Boden warf.
    »Meine Augen!«, schrie er.
    »'tschuldigung«, sagte ich.
    Wonne trat das Messer außer Reichweite des Wächters. Ich legte Josua einen Arm um die Schulter und schob ihn rückwärts.
    »Du musst etwas Abstand zwischen euch beide bringen, bis er wieder sehen

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