Die Bibel nach Biff
verliebt zu sein (in acht chinesische Konkubinen).
Mittlerweile betrieb Josua seine Studien mit dem ihm eigenen Eifer, sicher nicht zuletzt unter dem Einfluss des Kaffees, den er jeden Morgen trank, bis er vor Begeisterung beinahe durch die Tür vibrierte.
»Sieh dir das nur mal an, Biff. Auf eine Frage hin sagt der Meister Konfuzius: >Begegne Kränkung mit Gerechtigkeit und Freundlichkeit mit Freundlichkeit.« Lao-tse dagegen sagt: >Begegne Kränkung mit Freundlichkeit.« Verständlich, oder?« Dann tanzte Josua herum und schleppte Schriftrollen hinter sich her, in der Hoffnung, dass ich seine Begeisterung für die alten Texte irgendwie teilen würde. Ich habe es versucht. Wirklich wahr.
»Nein, unverständlich. In der Thora steht: >Auge um Auge, Zahn um Zahn«. Das ist Gerechtigkeit.«
»Stimmt genau«, sagte Josua. »Ich denke, Lao-tse hat Recht. Güte geht der Gerechtigkeit voran. Solange man Gerechtigkeit durch Strafe sucht, verursacht man nur noch mehr Leid. Wie kann das richtig sein? Es ist eine Offenbarung!«
»Ich habe heute gelernt, wie man Ziegenharn einkocht, um Sprengstoff herzustellen«, sagte ich.
»Das ist auch gut«, sagte Josua.
Es konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit geschehen. Josua kam mitten in der Nacht aus der Bibliothek gestürmt, riss mich aus einer komplexen, öligen Verschlingung mit Erbsenschote, Kissen und Tunnel - während uns Nummer Sechs mit fünfhundert Jadegöttern unterschiedlichster Größe und Form vertraut machte -, und er wartete gerade so lange, bis ich mich abgetrocknet hatte, bevor er mir irgendeinen Kodex in die Hand drückte und mich zwang, eine Passage zu lesen, da er sich für die Gedanken irgendeines lang verstorbenen Weisen begeisterte.
»Der Meister sagt, dass >der Überlegene seinem Verlangen widersteht, doch sich der Unterlegene - wenn er ein Verlangen spürt - zügelloser Ausschweifung anheim gibt.< Er spricht von dir, Biff. Du bist der Unterlegene.«
»Ich bin so stolz«, erklärte ich ihm, während ich zusah, wie Nummer Sechs betrübt ihre Götter in den angewärmten Messingkasten legte, in welchem sie diese aufbewahrte. »Danke, dass du extra gekommen bist, um es mir zu sagen.«
Man übertrug mir die Aufgabe, Waidan zu erlernen, die Alchemie des Äußeren. Meine Kenntnisse beruhten auf der Manipulation der physischen Elemente. Josua dagegen lernte Neidan, die Alchemie des Inneren. Seine Kenntnisse beruhten auf dem Studium seines eigenen, inneren Wesens durch das Nachsinnen über die Meister. Während also Josua Schriftrollen und Bücher las, verbrachte ich meine Zeit damit, Quecksilber mit Blei zu mischen, Phosphor mit Schwefel, Holzkohle mit dem Stein der Weisen, um dem Wesen des Tao auf die Spur zu kommen. Josua lernte, Messias zu werden, und ich lernte, Leute zu vergiften und Sachen in die Luft zu sprengen. Die Welt schien mir in bester Ordnung. Ich war glücklich, Josua war glücklich, Balthasar war glücklich, und die Mädchen ... nun, die Mädchen waren beschäftigt. Obwohl ich täglich an der Eisentür vorüberkam (und die gequälte Stimme beharrlich blieb), war mir doch, was sich dahinter befand, nun nicht mehr wichtig, ebenso wenig wie das gute Dutzend Fragen, mit dem Josua und ich unseren großzügigen Herrn und Meister hätten konfrontieren sollen.
Kaum merkten wir, wie ein Jahr verging, dann noch zwei, und schon feierten wir Josuas siebzehnten Geburtstag in der Festung. Balthasar ließ die Mädchen ein Festmahl aus chinesischen Köstlichkeiten zubereiten, und bis spät in die Nacht tranken wir Wein. (Und noch lange danach, selbst als wir wieder in Israel waren, gab es an Josuas Geburtstag stets chinesische Kost. Ich habe gehört, es sei nicht nur unter denen, die Josua kannten, Tradition geworden, sondern bei Juden auf der ganzen Welt.)
»Denkst du jemals an zu Hause?«, fragte mich Josua am Abend seiner Geburtstagsfeier.
»Manchmal«, sagte ich.
»Woran denkst du?«
»Maggie«, sagte ich. »Manchmal an meine Brüder. Manchmal an meine Mutter und meinen Vater, aber immer an Maggie.«
»Selbst nach all deinen Erfahrungen seither denkst du immer noch an Maggie?« Josua legte immer weniger Neugier an den Tag, was die Essenz der Lust anging. Anfangs dachte ich, das mangelnde Interesse habe mit seinen Studien zu tun, doch dann merkte ich, dass sein Interesse mit der Erinnerung an Maggie verblasste.
»Josua, meine Erinnerung an Maggie hat nichts mit dem zu tun, was in der Nacht vor unserer Reise passiert ist. Ich hatte nicht vor, sie zu
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