Die Bibel Verstehen
die Oberhand und untergruben seine Autorität. Paulus besucht die Gemeinde. Doch sein Besuch verläuft sehr unglücklich. Es kommt zum Eklat. Ein Gemeindemitglied tritt in beleidigender Weise gegen Paulus auf. Paulus schreibt den sogenannten «Tränenbrief» und lässt ihn durch Titus der Gemeinde überbringen. Die positive Reaktion auf diesen Brief leitet die Versöhnung mit der Gemeinde wieder ein. Der Verursacher des Eklats wird mit einer Strafe belegt. Die Gemeinde ist wieder bereit, auf Paulus zu hören. Die Geschichte des Paulus mit der Gemeinde von Korinth zeigt, wie die Emotionen zwischen dem Apostel und der Gemeinde hochgehen. Es ist keine heile Welt, in die Paulus hineinschreibt und die er besucht, um sie im Geiste Jesu aufzubauen.
Korinth war im Jahre 146 vor Christus von einem römischen Heer zerstört worden und wurde erst 100 Jahre später wieder besiedelt, und zwar vorallem von römischen Veteranen, von Griechen, Juden und Sklaven. Korinth hatte keinen guten Ruf. Es galt als Zentrum des Dirnenwesens. Die christliche Gemeinde hatte ihren Ursprung in einem judenchristlichen Ehepaar: Aquila und Priska. Der Synagogenvorsteher Krispus wurde Christ. Aber die meisten Christen stammten aus dem Heidentum. Es waren alle Schichten vertreten, Vertreter der Oberschicht, Handwerker, Lohnarbeiter und Sklaven. Die Frömmigkeit der Gemeinde war bestimmt von enthusiastischen, überschwänglichen Geisterfahrungen. Vermutlich resultiert diese übertriebene Frömmigkeit aus einer «Verzerrung der paulinischen Freiheitspredigt» ( Hans J. Klauck ). Es war eine Art «Über-Konversion», die die Freiheit zu sehr betonte.
Im ersten Korintherbrief zeigt uns Paulus nicht nur den Weg christlicher Freiheit. Er nimmt die Schlagwörter der Gnosis auf: «Alles ist erlaubt.» Und er bestätigt sie. Aber er relativiert sie. Nicht alles nützt dem Menschen. Nicht alles baut auf. Entscheidend ist, ob unser Verhalten zum Auf bau der Gemeinde beiträgt. Paulus behandelt wichtige Themen. Da ist einmal die Torheit des Kreuzes, die für die Christen der Inbegriff wahrer Weisheit ist (1 Kor 1,18–31). Das christliche Paradox besteht darin, dass Gott gerade das Schwache erwählt hat, um die Mächtigen zu beschämen. Im neunten Kapitel schreibt Paulus über seinen eigenen Dienst als Apostel. Und im elften Kapitel beschreibt er dieurchristliche Feier des Abendmahls. Paulus überliefert uns den ältesten Abendmahlsbericht.
Berühmt ist das Hohelied der Liebe, das Paulus im dreizehnten Kapitel anstimmt. Die Liebe wird hier absolut gesehen. Es ist weder die Liebe zu Gott noch die zu anderen Menschen, sondern die Liebe als innere Kraft, die von Gott kommt, die Gabe des Heiligen Geistes ist und den Menschen verwandelt. Wer in der Liebe ist, der lebt erst wahrhaft. Er verwirklicht, was Jesus uns vorgelebt hat. Und Paulus betont die zentrale Botschaft von der Auferstehung Jesu und von unserer eigenen Auferstehung. Wie Christus von den Toten auferweckt wurde, so werden auch wir auferweckt werden und mit einem neuen himmlischen Leib bekleidet werden (Kapitel 15).
Der zweite Korintherbrief ist sehr persönlich gehalten. Paulus schreibt von seiner Enttäuschung, von seinen inneren und äußeren Bedrängnissen, aber auch von der Gewissheit, dass bei allem Aufgeriebenwerden der innere Mensch erneuert wird (2 Kor 4,16). Die Botschaft, die wir als Christen der Welt zu verkünden haben, ist die Botschaft von der Versöhnung. Die Christen sollen als Sauerteig der Versöhnung wirken. So werden sie dem Geist Jesu gerecht. «An Christi Statt bitten wir: Lasst euch mit Gott versöhnen!» (2 Kor 5,20).
Paulus muss sich immer wieder gegenüber Vorwürfen verteidigen. Die Korinther werfen ihm vor, dass er zwar wuchtige Briefe voller Kraft schreibe,dass sein persönliches Auftreten aber matt sei (2 Kor 10,10). Schließlich lässt er sich in seiner Rechtfertigung zur Narrenrede hinreißen, in der er aufzählt, was er alles für die Verkündigung des Evangeliums geleistet hat. Er hat mehr als alle anderen gearbeitet und mehr als sie Leiden auf sich genommen. Im zwölften Kapitel kommt er auf seine mystischen Erfahrungen zu sprechen, um zu zeigen, dass er tiefere Erfahrungen gemacht hat als die Korinther, die sich auf ihre mystischen Erfahrungen so gerne berufen. Doch trotz dieser mystischen Erfahrungen leidet Paulus an dem Stachel, der ihm ins Fleisch gestoßen wurde. Es war wohl eine unangenehme Krankheit, unter der Paulus gelitten hat. Aber gerade im Umgang mit
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