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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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Kadesch-Barnea sollen sie ziehen, zum Jordan hinunter, an jene Grenze, an der die Wüste endet und das Kulturland beginnt. Elf Tage dauert es vom Horeb zum Jordan. Elf Tage, dann kann die neue Zeit beginnen.
    Das Volk bricht auf, strebt seiner neuen Zukunft entgegen, erreicht nach elf Tagen Kadesch-Barnea und sieht das Ziel des Unternehmens Exodus zu seinen Füßen liegen: Kanaan, das fruchtbare Land, das nicht nur Freiheit verheißt, sondern auch Milch und Honig, Wohlstand, Überfluss.
    Ein gewaltiger Jubel müsste jetzt eigentlich ausbrechen, ein Fest müsste gefeiert werden – aber Israel verhält sich merkwürdig still. Israel könnte jetzt einziehen. Und bleibt wie angewurzelt stehen. Israel müsste nur noch den Jordan überschreiten. Aber das Volk geht keinen Schritt weiter.
    «Was ist?», fragt Mose. «Wir wissen nicht, was uns dort erwartet», sagen einige. «Lasst uns doch erst einige Kundschafter ins Land schicken, um zu sehen, ob man es gefahrlos betreten kann und ob es wirklich so fruchtbar ist, wie versprochen.»
    Das Volk zweifelt. So nahe vor dem Ziel?
    Mose versteht es nicht, «aber gut», sagt er, «Kundschafter auszusenden erscheint nicht unvernünftig, und ob wir gleich oder erst in ein paar Tagen ins verheißene Land einziehen, macht nach dem, was wir hinter uns haben, auch keinen großen Unterschied». Also benennt Mose zwölf Kundschafter und schickt sie ins Land. Nach vierzig Tagen kehren sie schwer beladen mit den Früchten des Landes zurück und sagen: «Wirklich, es ist ein Land, in dem Milch und Honig fließen.»
    Kein Jubel braust auf. Fragen werden gestellt, Bedenken erhoben. Der Widerstand entzündet sich an den Details, die ebenfalls berichtet werden: Das Land ist nicht unbesiedelt. Es gibt befestigte Dörfer und Städte.
    Ja und, ist nicht genug Land übrig für uns? Die Frage wird nicht gestellt. Stattdessen debattiert das Volk ausdauernd über die zu erwartenden Schwierigkeiten, und dabei wachsen in der Phantasie der Israeliten die Landesbewohner zu Riesen heran, die befestigten Siedlungen zu unbezwingbaren Städten, die Städte zu mächtigen Völkern, das verheißene Land zu einem Moloch, der Menschen frisst. Ein Wall von Angst und Bedenken baut sich auf. Und gegen Gott, dem man eben noch auf Knien dankte für die Errettung am Schilfmeer, erhebt sich der absurde Verdacht, das Volk dem Untergang ausliefern zu wollen.
    Die Sklavenpest erfasst das Volk – die Scheu vor dem letzten Schritt, die Angst der Untertanen vor der Verantwortung. Ihre aus Ägypten mitgebrachte Käfigmentalität lässt die Entflohenen vor dem grenzenlos und gefährlich erscheinenden Reich der Freiheit erschauern. Unter den Schauern der Angst vorm eigenen Mündigsein kippt der Glaube um, meutert das Volk geradezu panisch gegen Mose. Wieder verklären die Sklavenseelen das sichere, sorgenfreie Leben im scheinbar gemütlich-warmen Mief der übersichtlichen kleinen Winkel des ägyptischen Käfigs.
    Sie wollen tatsächlich einen Hauptmann küren, der sie zurückführtin die Steinbrüche Ägyptens, heim ins Reich der Unfreiheit, ins geregelte Leben der Sklaverei, in der man für nichts verantwortlich ist, sich um nichts kümmern muss, wo einem von morgens bis abends gesagt wird, was man zu tun hat, und die Fleischtöpfe stets gut gefüllt sind. Vor der Erinnerung an die Fleischtöpfe erscheint die eigene, mühsam erkämpfte Freiheit plötzlich wertlos. Vergessen sind Mühsal und Plage, vergessen die Schinderei und das Geschrei der Sklaventreiber, das unwürdige Leben als Zugvieh und Nutztier.
    Mose versteht die Welt nicht mehr. Aaron ist verzweifelt. Josua und Kaleb, zwei der Kundschafter, die noch bei Verstand sind, zerreißen wütend ihre Kleider und schreien das Volk an: Spinnt ihr? Das Land, das wir gesehen haben, ist gut! Es hat genug Platz für uns alle. Es ist fruchtbar. Wir können in Freiheit und Wohlstand darin leben. Niemand auf dieser Welt, außer Gott, hat uns noch etwas zu befehlen.
    Das Volk will die zwei steinigen.
    Da fährt Gott hernieder, voller Verachtung, zornentbrannt, finstere Drohungen ausstoßend, und erwägt wieder einmal seine scheinbar altbewährte Lösung: vernichten, ausrotten, die Pestilenz will er dem unwürdigen Volk an den Hals hetzen und mit seinen letzten Getreuen   – Mose, Aaron, Josua, Kaleb – abermals ganz von vorn beginnen. Mose redet es ihm mit klugen Argumenten aus. «Wenn du dein Volk jetzt umbringst, werden die Heiden sagen, du habest mitnichten dein Volk in das Land

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