Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
Vom Netzwerk:
bringen können, das du ihm verheißen hattest. Willst du, dass man dich der Lüge zeiht?»
    Das sieht Gott ein, aber sein Groll ist groß, und es erscheint ihm unmöglich, so zu tun, als ob nichts gewesen sei. Das Volk hat seine gute Gabe nicht nur zurückgewiesen, sondern madig gemacht, schlecht geredet, verhöhnt. Nach so einem Aufstand einfach wieder zur Tagesordnung übergehen, das geht nicht.
    Darum schickt er sein Volk zurück in die Wüste. Für die Generationder Erwachsenen, die über zwanzig Jahre alt sind, zieht er seine Verheißung zurück. Auf sie, die Generation, die versagt hat, wartet die ziellose Wüstenexistenz. Sie werden darin umkommen. Die zweite Generation wird unter der Führung Josuas den Jordan überschreiten und das Land einnehmen.
     
    Natürlich haben wir es auch bei dieser Geschichte wieder «nur» mit Theologie zu tun, aber einer sehr lebensnahen: Man sehnt sich nach Freiheit und glaubt, wenn man sie erlangt, sei man automatisch glücklich. Aber so ist es nicht. Freiheit ist eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für Glück. Wer seine Fesseln abstreift, lernt erst einmal neue Zwänge kennen. Er selbst muss jetzt über jeden Schritt, den er geht, selber entscheiden, muss selber denken, selber handeln, die Verantwortung für seine Entscheidungen übernehmen und die Folgen seines Tuns tragen. Freiheit ist der Zwang, sein Leben selbst gestalten zu müssen.
    Woran soll man sich dabei halten? Wie sich orientieren? Man ist zur Freiheit verdammt. Wer das erfährt, hält wie gelähmt inne und fürchtet sich vor dem ersten selbständigen Schritt, fürchtet sich schon vorher, noch im Käfig, vor dem letzten Schritt in die Freiheit – so, wie das Volk Israel vor dem letzten Schritt über den Jordan.
    Wer seinen Käfig verlässt, verlässt auch seine Futterstelle und alle Sicherheiten, muss um der Freiheit willen eine Zeit lang Not und Entbehrung in Kauf nehmen und lernen, sich in der neu erkämpften Freiheit zurechtzufinden. Alte Rollenmuster und Verhaltensweisen, die im Käfig funktionierten, funktionieren nicht mehr. Neue stehen aber nicht gleich zur Verfügung, sondern müssen erst mühsam erarbeitet werden. Freiheit ist anstrengend. Deshalb liegt vor dem Gelobten Land die Wüste.
    In der Wüste, frei von allen Bindungen, kann man aber nicht auf Dauer verharren. Man muss vorwärts oder wieder zurück. Israel weiß, wenn es durch den Jordan geht, wird es neu geboren und neu gebunden. An Gott. Jeder Einzelne weiß: Jenseits des Jordan beginnt die Auslieferung meines eigenen Willens an einen fremden Willen, Gottes Willen. Er ist der neue Anker, an den ich gebunden werde. Er ist der Punkt, an dem ich einen Halt und Orientierung finde.
    Wer aber über den Jordan geht, muss darauf vertrauen, dass es schon gut gehen wird und Gott es gut mit ihm meint. Das ist das Abenteuer des Glaubens.
    Die Abenteuerlichkeit seines Vorhabens wurde dem Volk in Kadesch-Barnea bewusst. Deshalb brach es nicht in Jubel aus, sondern verharrte erst einmal unschlüssig vor dem Jordan wie vor einer magischen Grenze. Trotz der gelungenen Flucht aus Ägypten, trotz der erfolgreichen Durchquerung der Wüste war das Vertrauen zu Gott noch nicht groß genug. Erst die zweite Generation bringt den notwendigen Mut auf und überschreitet den Jordan, die Grenze zum Gelobten Land.

Kanaan
    Ein Kardinal, der sich bei seinen Spaziergängen durch einen römischen Park immer über den dort unermüdlich arbeitenden Gärtner freut, kleidet diese Freude eines Tages in das Lob: «Der Park wird immer schöner. Daran sieht man doch, was erreicht werden kann, wenn menschlicher Fleiß und göttliche Vorsehung zusammenwirken.» Da habe der Kardinal Recht, antwortete der Gärtner, «Sie hätten den Park mal sehen sollen, als nur die Vorsehung an ihm gearbeitet hat.»
    Der Mensch muss handeln, fürs Gelingen sorgt dann Gott. Wie es dabei zugeht, wissen wir nicht. Das war damals in Ägypten und in der Wüste nicht anders als heute. Darum dürfen wir es nichtwörtlich nehmen, wenn es heißt, Gott habe sein Volk wieder zurück in die Wüste geschickt. Man darf bei all diesen Geschichten nie vergessen, dass sie erst viele Jahrhunderte nach den tatsächlichen Ereignissen die Form gefunden haben, die wir kennen. Das große Epos des Exodus und der Landnahme ist aus einem kleinen, unepischen Kern gewachsen. Dieser Kern enthält kein Wort von vierzig Jahren Wüste. Sehr kurz und nüchtern heißt es im fünften Buch Mose nur:
    Mein Vater war ein

Weitere Kostenlose Bücher