Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
Vom Netzwerk:
Phantasie zurechtschustert. Er sprengt das menschliche Vorstellungsvermögen, darum ist jede Vorstellung falsch, darum ist eure Bildermacherei, euer ganzer Zauber, den ihr zu Ehren eurer Götter veranstaltet, hohles Blech. Eure Götter menscheln, unserer allein ist so anders und göttlich, dass wir es uns verbieten, Bilder von ihm zu machen, ja nicht einmal wagen, seinen Namen auszusprechen.
    Damit war das abstrakte, bildlose Denken eingeführt. Später wird es auf das griechische Denken prallen, aus den Unterschieden, Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten Funken schlagen und den Boden bereiten für Wissenschaft, Technik, Theater, Musik, Demokratie, eine zweite Aufklärung und permanente Weltveränderung im Schlechten wie im Guten.
    Das freche Volk konnte sich auch den Hinweis nicht verkneifen, dass sein Gott viel moderner sei als die Götter der anderen. Der Gott des neuen Volkes war ein mitziehender, mobiler, ein dynamischer Gott. Wo sein Volk war, da war auch er. Die zahlreichen Götter der anderen hockten wie festgenagelt auf ihren jeweiligen Lokalitäten. Wer etwas von ihnen wollte, musste sich auf den Weg zu ihnen machen, und wer von mehreren etwas wollte, war ständig unterwegs. Unpraktisch. Rückständig.
    Freundlicher war er auch, der Gott der Juden. Er wollte keine Menschenopfer. Ab und zu ein Hammel, damit gab er sich zufrieden. Die Sterne wurden von den anderen Völkern als Götter verehrt und angebetet. Lächerlich, sagten die Juden, das sind nur Lampen, und ätzten weiter: Die hat unser Gott in den Himmel gehängt. Für die anderen, die in den Sternen Götter sahen, war das Blasphemie. Was man tun muss, um sich bei den anderen verhasst zu machen, hat dieses Volk getan. Es achtete auf Vollständigkeit.
    Das war nicht eine neue Religion, was mit den Juden in dieWelt kam, das war Philosophie, eine erste Aufklärung, eine erste Entmythologisierung, die Entleerung des Götterhimmels und eine für damalige Verhältnisse blasphemisch anmutende Fundamentalkritik der Fruchtbarkeitsreligionen. Kritik, Aufklärung, Fortschritt, Aufbruch, Entgötterung des Himmels, Entmythologisierung, Profanisierung, sogar Spott, Sarkasmus und Ironie – in diesem kleinen, jungen, machtlosen Volk ist alles schon da, was später die Welt verändern wird, zum Beispiel auch die Idee der Gleichheit.
    In Ägypten erkannten sie, dass es zwei Klassen von Menschen gibt: jene, die die Peitsche schwingen, und jene, die sie zu spüren bekommen. Hammer oder Amboss sein, treten oder getreten werden, gewinnen oder verlieren – das schien die natürliche Ordnung der Welt zu sein.
    Dieser natürlichen Ordnung der Welt setzten sie die Sozialordnung Gottes entgegen, eine Ordnung, die allen Nachbarvölkern mit ihren Natur- und Fruchtbarkeitsreligionen höchst unnatürlich, unfruchtbar und darum gotteslästerlich vorgekommen ist, eine Ordnung, welche die Klassengesellschaft der Herrenvölker infrage stellte. Sie sagten, die Klassengesellschaft sei nur zu überwinden, wenn nicht ein König oder Despot über alle anderen herrscht, sondern wenn Gott herrscht und wenn seine Ordnung sich durchsetzt.
    Damit kritisierten sie die Herrenvölker und bestritten deren Recht, andere zu knechten. Darum war das Volk der Juden bei den Herrenrassen so verhasst. Es war ein Außenseiter- und Verlierervolk, aber dieses Volk wusste Gott auf seiner Seite, und das machte es zum Gewinner.
    Für dieses Volk war es natürlich nicht besonders angenehm, überall unbeliebt zu sein. Prügel von allen Seiten waren programmiert. Aber da war dieses Ereignis am Schilfmeer. Von dem ging ein Kraftstrom aus, der das Volk durch die Jahrhunderte trug und sie alle Gefahren und Katastrophen überstehen ließ.

Mose und Aaron
    Die Ausbrecher sind frei. In Ägypten machten sie die Erfahrung: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Nur wer auch frei ist und in Würde lebt, kann sein Brot wirklich genießen. Deshalb flohen sie aus der Sklaverei in die Wüste. Dort merken sie nun: Von Freiheit allein lässt sich auch nicht leben.
    Nur die Hoffnung, dass die Wüstenzeit bald überstanden sein wird und danach das eigentliche Leben beginnt, lässt sie die Not und die Entbehrungen aushalten. Diese Hoffnung treibt das Volk seinem Ziel entgegen, dem verheißenen Land, wo es auch wieder satt wird, jedoch in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Gottes Utopie soll bald Wirklichkeit werden.
    Die Flüchtlinge lagern am Gottesberg Horeb. Dort erhält Mose die Anweisung zum letzten Marsch. Nach

Weitere Kostenlose Bücher