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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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fremd,« sagte sie freundlich, »sonst würde ich Sie sicher kennen, aber ich bitte Sie, sich zu merken, daß ich zur Familie der Bienen gehöre, und daß ich durchaus keine Wespe bin.«
    »Ach Gott,« sagte der Grashüpfer, »das ist doch dasselbe.«
    Maja konnte vor Aufregung kaum sprechen.
    »Sie sind ungebildet«, stieß sie endlich hervor. »Schaun Sie sich doch einmal eine Wespe an.«
    »Was könnte mich wohl dazu veranlassen?« antwortete der Grüne. »Wohin würde es führen, wenn ich mir Unterschiede merkte, die nur in der Einbildung existieren? Sie fliegen in der Luft herum, stechen alles, was in Ihre Nähe kommt, und können nicht springen. Genau so ist es mit den Wespen. Wo liegt also der Unterschied? Hoppla!« Und fort war er.
    Jetzt flieg ich aber, dachte Maja.
    Da war er wieder.
    »Mamsell,« rief er, »morgen ist Wettspringen im Garten des Pfarrers Sündepiek. Wollen Sie eine Freikarte, um zuschauen zu können? Meine Alte hat deren noch zwei, gegen ein Kompliment gibt sie eine her. Ich hoffe den bestehenden Rekord zu schlagen.«
    »Ich interessiere mich nicht für so ein Gehüpfe«, sagte Maja nicht ohne Verdruß. »Wer fliegen kann, hat höhere Interessen.«
    Der Grashüpfer grinste, daß man es förmlich zu hören glaubte.
    »Überschätzen Sie sich nicht, Mamsell. Die meisten Tiere der Welt können fliegen, aber springen können die wenigsten. Sie haben keinen Überblick über die Interessen der Mitwelt. Den Wunsch nach einem hohen, eleganten Sprung finden Sie sogar bei den Menschen. Kürzlich sah ich den Pfarrer Sündepiek fast einen Meter hoch springen, um einer kleinen Schlange zu imponieren, die vor ihm über den Weg lief. Seine Verachtung gegen alles, was nicht Springen war, ging dabei so weit, daß er seine Pfeife fortschleuderte, ohne die kein Pfarrer leben kann. Begreifen Sie diesen Ehrgeiz! -- Ich habe Grashüpfer gekannt, und sie gehörten zu meiner Familie, die dreihundertmal so hoch sprangen, als sie selbst groß waren. Ja, nun staunen Sie und sagen kein Wort mehr, und bereuen innerlich alles, was Sie eben vorgebracht haben, und was Sie eventuell noch hätten behaupten wollen. Dreihundertmal so hoch, als er groß war! Muten Sie so etwas mal jemandem zu! Selbst das größte Tier der Welt, der Elefant, ist nicht in der Lage, einen solchen Sprung auszuführen. Nun? Da schweigen Sie! Habe ich nicht gesagt, daß Sie schweigen würden?«
    »Aber wie soll ich denn reden, wenn Sie nicht einen Augenblick still sind«, rief Maja.
    »Reden Sie also«, sagte der Grashüpfer freundlich, und dann rief er »Hoppla« und war fort.
    Da mußte die kleine Maja trotz ihres Verdrusses doch lachen. So etwas war ihr noch niemals begegnet. So sehr der Grashüpfer sie durch sein scherzhaftes Benehmen in Erstaunen setzte, so bewunderte sie doch seine Welterfahrenheit und seine großen Kenntnisse. Wenn sie es auch mit dem Springen nicht hielt wie er, so war sie doch verwundert über alle die Neuigkeiten, die sie in der kurzen Unterhaltung erfahren hatte. Wenn der Grüne nur etwas zuverlässiger gewesen wäre, sie hätte ihn gar zu gern nach diesem oder jenem gefragt. Oft erleben wirklich diejenigen am meisten, dachte sie, die am wenigsten damit anzufangen wissen.
    Ob er die Sprache der Menschen verstehen konnte, da er doch ihre Namen wußte? Danach wollte sie ihn fragen, wenn er noch einmal zurückkam, und auch danach, wie er über eine Annäherung dachte und über den Versuch, den Menschen in seiner Behausung aufzusuchen.
    »Mamsell!« rief es neben ihr, und ein Grashalm schwankte.
    »Mein Gott,« sagte Maja, »wo kommen Sie nur immer her?«
    »Aus der Umgegend«, sagte der Grashüpfer.
    »Aber ich bitte Sie,« rief Maja, »springen Sie denn so aufs Geratewohl in die Welt, ohne zu wissen, wohin es Sie führt, ohne den Ort zu kennen, wo Sie ankommen?«
    »Natürlich«, sagte der Grüne. »Was denn sonst? Können etwa Sie in die Zukunft sehn? Das kann niemand. Nur der Laubfrosch kann es, aber er sagt nicht wie.«
    »Was Sie alles wissen,« rief die kleine Maja, »das ist einfach großartig. Verstehn Sie auch die Sprache der Menschen?«
    »Das ist eine Frage, die schwer zu beantworten ist, Mamsell, denn es ist noch nicht nachgewiesen, ob die Menschen eine Sprache haben. Sie stoßen zuweilen Laute aus, deren abscheuliche Klanglosigkeit mit nichts zu vergleichen ist. Offenbar verständigen sie sich dadurch. Was man ihnen lassen muß, ist ein aufrichtiges Verlangen nach erträglichen Stimmen. Ich beobachtete zwei

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