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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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ein fürchterliches Geschrei an.
    »Stechen Sie nicht,« schrie sie, »das ist das einzige, was Sie können, aber es schadet. Bitte nehmen Sie Ihren Hinterleib weg, soweit als möglich, darin sitzt der Stachel. Und lassen Sie mich los, wenn es Ihnen möglich ist, ich will alles tun, was Sie wollen. Verstehen Sie denn keinen Scherz!? Es weiß doch jeder, daß Ihr Bienen unter den Insekten die angesehensten seid, die mächtigsten und die zahlreichsten. Nur nicht töten, wenn ich bitten darf, es wäre nachher nicht mehr gutzumachen. Herrgott, daß niemand für meinen Humor Verständnis hat.«
    »Gut,« sagte Maja, nicht ohne ein wenig Verachtung im Herzen, »ich werde Sie leben lassen, wenn Sie mir vom Menschen alles sagen, was Sie wissen.«
    »Gern,« rief Puck, »ich hatte es ohnehin vor, aber jetzt lassen Sie los.«
    Maja tat es. Es war ihr plötzlich gleichgültig geworden, sie hatte Vertrauen und Achtung vor der Fliege verloren. Was so ein Gesindel in Erfahrung bringt, dachte sie, hat für ernste Leute wenig Wert, ich werde wohl doch selbst sehen müssen, welche Beschaffenheit es mit dem Menschen hat.
    Aber die kleine Fliege Puck wurde doch um vieles erträglicher, nachdem sie diese ernste Lehre empfangen hatte. Zu Anfang ordnete sie unter Gebrumm und Schelten ihre Fühler, Flügel und die Härchen ihres schwarzen Körpers. Alles war sehr in Unordnung geraten, denn die kleine Maja hatte fest zugepackt. Zum Schluß ließ Puck seinen Rüssel ein und aus fahren, etwas, das Maja noch niemals gesehn hatte.
    »Verstaucht! Total verstaucht ist der Rüssel,« rief sie schmerzlich, »das kommt von dieser Erregtheit, mit der Sie vorgehen. Sehen Sie selbst, unten die Saugplatte sieht aus wie ein verbogener Blechteller!«
    »Haben Sie eine Saugplatte?« fragte Maja.

    »Ach Gott, selbstverständlich! Was wollen Sie also über den Menschen wissen? Das mit dem Rüssel wird sich schon geben. Ich denke, am besten erzähle ich Ihnen aus meinem Leben. Da ich unter Menschen groß geworden bin, werden Sie schon erfahren, was Sie wissen wollen.«
    »Sie sind unter Menschen groß geworden?«
    »Aber ja doch. In ihre Stubenecke legte meine Mutter das Ei, aus dem ich gekrochen bin, auf ihren Gardinen habe ich die ersten Gehversuche gemacht, und von Schiller bis Goethe probierte ich die Kraft meiner Flügel zum erstenmal.«
    Maja fragte, was Schiller und Goethe seien, und Puck erklärte es ihr überlegen. Das seien die Statuen zweier Menschen, die sich offenbar besonders ausgezeichnet hätten. Sie stünden unter dem Spiegel, rechts und links, und würden von niemand beachtet.
    Nun wollte Maja wissen, was ein Spiegel sei und warum diese beiden Statuen darunter stünden.
    »Im Spiegel sieht man sich an seinem Bauch, wenn man darauf kriecht«, erklärte Puck. »Es ist sehr amüsant. Wenn die Menschen vor ihn hintreten, fahren sie sich entweder in die Haare, oder sie reißen an ihrem Bart. Wenn sie allein sind, lächeln sie hinein, aber wenn noch jemand im Zimmer ist, so machen sie ernste Angesichter. Den Zweck weiß ich nicht, ich habe ihn nie ergründen können, er scheint eine unnötige Spielerei der Menschen zu sein. Ich selbst habe in meinen ersten Lebenstagen sehr darunter gelitten, weil ich hineinflog und natürlich auf das heftigste zurückgeschleudert wurde.«
    Es war der kleinen Puck sehr schwer, Maja weitere Fragen über den Spiegel genau zu beantworten. »Sehen Sie,« sagte sie endlich, »Sie sind doch sicher einmal über eine blanke Wasserfläche geflogen? So etwa ist ein Spiegel, nur aufrecht und hart.«
    Die kleine Fliege wurde um vieles freundlicher, nun da sie merkte, daß Maja ihr zuhörte und daß ihre Erfahrungen Beachtung fanden. Und wenn Maja auch keineswegs alles glaubte, was sie von der Fliege hörte, so bereute sie es doch, so gering von ihr gedacht zu haben. Andere sind oft um vieles gescheiter, als wir anfangs glauben, dachte sie.
    Und Puck fuhr fort zu erzählen:
    »Es dauerte lange, bis ich die Sprache der Menschen verstehen lernte. Man lernt sie schwer, ohne gewissermaßen mit den Menschen auf du zu stehen. Jetzt weiß ich endlich, was sie wollen. Viel ist es nicht, für gewöhnlich sagen sie jeden Tag dasselbe.«
    »Aber das kann ich mir gar nicht denken«, sagte Maja. »Die Menschen haben doch so vielerlei Interessen, sie sind reich an Gedanken und groß an Taten. Ich habe von Kassandra gehört, daß sie Städte bauen, die größer sind, als daß man sie an einem Tag umfliegen kann, Türme, die so hoch sind wie

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