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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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»Sie wollten sagen, daß dies Lied dem besten eingereiht werden kann, was Sie kennen, daß man weit zurückgreifen muß, ehe man etwas Verwandtes findet. Die Kunst muß zunächst Neuigkeiten enthalten, das ist es, was die meisten Dichter übersehen. Und dann Größe, nicht wahr?«
    »Doch,« sagte Maja, »ich glaube ...«
    »Ihr zuversichtlicher Glaube an meine Bedeutung, den Sie ausgesprochen haben,« sagte Alois, »beschämt mich gradezu. Haben Sie Dank. Ich muß nun weiter, denn die Einsamkeit ist die Zierde des Künstlers. Leben Sie wohl.«
    »Adieu«, sagte Maja, die gar nicht recht wußte, was der Kleine eigentlich gewollt hatte. Nun, er selbst wird es schon wissen, dachte sie. Groß ist er ja eigentlich nicht, aber vielleicht wächst er noch. Sie sah ihm nach, wie er eifrig den Zweig hinaufkrabbelte. Man konnte seine winzigen Beinchen kaum unterscheiden, so daß es aussah, als schöbe er sich auf kleinen Rollen davon.
    Dann sah Maja wieder auf das goldene Kornfeld nieder, über dem die Schmetterlinge spielten. Das gefiel ihr weit besser als das Werk des Alois Siebenpunkt.

Dreizehntes Kapitel
Die Räuberburg

    Ach, wie froh hatte dieser Tag begonnen, und wie voller Angst und Schrecken sollte er enden. Maja hatte zuvor noch eine sehr merkwürdige Bekanntschaft gemacht, es war am Nachmittag gewesen, in der Nähe einer großen alten Wassertonne. Sie saß in den duftenden Holunderblüten, die sich in der stillen, schwarzen Wasserfläche der Tonne spiegelten. Über ihr sang ein Rotkehlchen so lieblich und froh, daß die kleine Maja es gradezu trostlos fand, daß man sich mit den Vögeln nicht befreunden konnte. Sie waren zu groß und fraßen einen auf, das war die Sache. Sie hatte sich in der weißen Blütendolde des Holunder versteckt und lauschte und blinzelte dabei mit den Augen, so daß der Sonnenschein ihr spitze Pfeile schickte, als neben ihr jemand seufzte. Als sie sich umdrehte, sah sie das sonderbarste Tier, das ihr jemals begegnet war. Auf den ersten Blick glaubte sie, daß es mindestens hundert Beine an jeder Seite hatte. Es war wohl dreimal so lang wie sie selbst, aber schmal und niedrig und ohne Flügel.
    »Himmel noch mal!« rief Maja ganz erschrocken, »Sie müssen aber laufen können.«
    Der Fremde sah sie nachdenklich an.
    »Ich zweifle daran,« meinte er, »es könnte besser sein. Ich habe zu viele Beine. Wissen Sie, ehe man sie alle bewegt hat, vergeht zu viel Zeit. Es gab Zeiten, in denen ich das nicht gewußt habe, da ist mir oft der Wunsch gekommen, ich hätte ein paar Beine mehr. Aber wie Gott will. Wer sind denn Sie?«
    Maja stellte sich vor.
    Der andere nickte und bewegte einige Beine.
    »Ich bin Hieronymus,« sagte er, »von der Familie der Tausendfüßler. Wir sind ein altes Geschlecht und erregen überall Bewunderung. Es gibt keine Tiere, die annähernd unsere Beinzahl aufzuweisen haben. Acht ist das Höchste bei den andern, soviel ich weiß.«
    »Sie sind fabelhaft interessant,« sagte die kleine Maja, »und sehr eigenartig in der Farbe. Haben Sie Familie?«
    »Aber nein! Wieso denn?« fragte der Tausendfüßler. »Wohin sollte das führen? Wir kriechen aus dem Ei und damit basta. Wenn nicht einmal wir auf eigenen Füßen stehen könnten, wer sollte es dann können?«
    »Das ist ja richtig,« meinte Maja nachdenklich, »aber haben Sie gar keinen Anschluß?«
    »Nein, meine Gute. Ich ernähre mich und zweifle.«
    »Ach, woran zweifeln Sie denn?«
    »Es ist mir angeboren,« entgegnete der Fremde, »ich muß immer zweifeln.«
    Maja sah ihn mit großen, erstaunten Augen an. Sie verstand nicht, wie er das meinte, und wollte doch nicht allzu neugierig in seine Angelegenheiten eindringen.
    »Ich zweifle daran,« sagte nach einer Weile Hieronymus, »daß Sie sich hier einen günstigen Ort zum Aufenthalt ausgesucht haben. Wissen Sie nicht, was drüben in der großen Weide liegt?«
    »Nein.«
    »Sehen Sie, ich habe gleich bezweifelt, daß Sie es wissen. Dort liegt die Hornissenstadt.«
    Maja wäre fast von der Blütendolde gefallen, so furchtbar erschrak sie. Sie wurde totenblaß, und zitternd fragte sie, wo die Stadt läge.
    »Sehen Sie dort den alten Starenkasten im Gebüsch am Stamm der Weide? Er ist so ungeschickt angebracht, daß ich gleich daran gezweifelt habe, daß er jemals von Staren bezogen wird. Wenn so ein Kasten nicht gegen Sonnenaufgang geöffnet ist, besinnt sich jeder anständige Vogel, ehe er einzieht. Die Hornissen haben nun darin ihre Stadt angelegt und befestigt. Es ist die

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