Die Biene Maja
Entzücken geraten sein. Zum erstenmal erkannte sie jetzt deutlich, wie die Räuber aussahen. Mit Staunen und Zittern sah sie den Prunk der goldenen Panzer, die den ganzen Leib hinunter mit herrlichen schwarzen Schienen verziert waren, so daß man einen Eindruck von ihnen hatte, wie wohl ein Kind ihn haben mag, das zum erstenmal einen Tiger erblickt.
Ein Wächter ging an den Wänden des Saals umher und forderte die Glühkäfer auf, aus Leibeskräften zu leuchten. Er tat es leise und drohend, um die Beratung nicht zu stören, stieß mit einer langen Stange nach ihnen und zischte jedesmal.
»Leuchte, sonst freß ich dich!«
Es war ganz fürchterlich, wie es in der Hornissenburg zuging.
Da hörte Maja die Hornissenkönigin sagen:
»Also bleibt es bei unserer Abmachung: Morgen, eine Stunde vor Sonnenaufgang, versammeln sich die Krieger. Die Stadt der Bienen im Schloßpark wird überfallen. Der Stock wird ausgeraubt und möglichst viele Gefangene werden gemacht. Wer Helene die Achte, die Bienenkönigin, gefangennimmt und mir lebendig überliefert, wird in den Ritterstand erhoben. Haltet euch tapfer und bringt mir gute Beute heim. Und hiermit hebe ich die Versammlung auf. Begebt euch zur Ruhe!«
Sie erhob sich nach diesen Worten und verließ mit ihrem Gefolge den Saal.
Die kleine Maja hätte beinahe laut aufgeweint.
»Mein Volk,« schluchzte sie, »meine Heimat!« Sie preßte ihre Hände in den Mund, um nicht zu schreien, ihre Verzweiflung war grenzenlos. »Ach, wäre ich gestorben, ehe ich dies hören mußte«, wimmerte sie. »Niemand wird die Meinen warnen. Sie werden im Schlaf überfallen und ermordet. O lieber Gott, tu ein Wunder, hilf mir, hilf mir und meinem Volk aus unserer Not.«
Im Saal wurden die Glühkäferchen ausgelöscht und aufgefressen. Es wurde langsam still in der Burg. An Maja schien niemand mehr zu denken.
Langsam kam ein schwaches Dämmerlicht in ihrem Kerker auf, und ihr war, als klänge von außen her das Nachtlied der Grillen. Nie war der Biene etwas furchtbarer erschienen, als dies Burgverließ mit seinen Totengerippen.
Vierzehntes Kapitel
Die Flucht
Aber die Verzweiflung der kleinen Biene machte bald einer entschlossenen Besinnung Platz. Es war, als erinnerte sie sich wieder daran, daß sie eine Biene war. Hier sitze ich nun und weine und klage, dachte sie plötzlich, als ob ich nicht Gedanken und Kräfte hätte. O, ich mache meinem bedrohten Volk und meiner Königin wenig Ehre. Sterben muß ich doch, da will ich es wenigstens stolz und mutig tun und nichts unversucht lassen, die Meinen zu retten.
Es war, als vergäße sie ganz die lange Zeit der Trennung von den Ihren und der Heimat, sie fühlte sich ihnen zugehöriger als je, und die große Verantwortung, die plötzlich auf ihr ruhte, weil sie den Plan der Hornissen kannte, verlieh ihr große Entschlossenheit und viel Mut.
Müssen die Meinen unterliegen und sterben, so will ich es auch, dachte sie, aber vorher will ich nichts ungetan lassen, sie zu retten.
»Es lebe meine Königin!« rief sie.
»Ruhe da drinnen!« scholl es barsch von außen.
Hu, war das eine fürchterliche Stimme. Es mußte der Wächter gewesen sein, der die Runde machte. Offenbar war es längst Nacht.
Als der Schritt draußen verhallt war, begann Maja sogleich damit, den Spalt zu erweitern, der in den Saal führte. Es gelang ihr leicht, die mürbe Wand zu zerbeißen, wenn sie auch lange Zeit brauchte, bevor die Öffnung groß genug war. Endlich konnte sie sich hindurchzwängen. Sie tat es vorsichtig und mit pochendem Herzen, sie wußte, daß es ihr Leben kosten würde, wenn man sie entdeckte. Aus unbekannten Gründen der Burg scholl ein tiefes Schnarchen.
Der Saal lag in gedämpftem blauen Licht, das vom Eingang hineinsank. Das ist Licht vom Mond, wußte Maja und schritt vorsichtig dahin, wobei sie sich stets in den tiefen Schatten an den Wänden hielt. Vom Saal führte ein schmaler hoher Flur zum Ausgang, von dort kam das Himmelslicht der Nacht. Maja seufzte tief auf, sie sah ganz fern in unendlicher Weite einen Stern am Himmel schimmern. Ach Freiheit, dachte sie.
Der Gang war ganz hell. Leise, Schritt für Schritt, schlich sie voran, das Tor kam immer näher. Wenn ich jetzt auffliege, dachte sie, so bin ich draußen. Ihr Herz schlug in der Brust, als ob es sie zersprengen wollte.
Da sah sie im Schatten des Tores an einer Säule den Wächter lehnen.
Wie angewurzelt blieb sie stehen, alle ihre Hoffnung sank dahin. Dort war kein Vorüberkommen. Was sollte
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