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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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Rosaleen.
    Wir gingen los. Wer nun aber glaubt, auf dem Land wäre es still, hat nie da gelebt. Schon allein die Laubfrösche machen einen solchen Radau, dass man sich Ohrstöpsel wünscht.
    Wir gingen weiter und taten, als wäre ein ganz normaler Tag. Rosaleen sagte, der Farmer, der uns mitgenommen hatte, schien eine gute Ernte gehabt zu haben. Ich sagte, es wäre erstaunlich, dass es hier keine Mücken gab.
    Als wir zu einer Brücke kamen, unter der ein breiter Bach floss, beschlossen wir, zum Flussbett hinunter zu klettern und dort die Nacht über zu rasten. Dort lag eine andere Welt, Sprenkel bewegten Lichts schimmerten auf dem Wasser, und wilder Wein spannte sich wie riesige Hängematten zwischen Kieferbäumen. Ich fühlte mich an einen Wald aus den Erzählungen der Gebrüder Grimm erinnert, und in mir machte sich die Unruhe breit, die mich jedes Mal überkam, wenn ich in einem Märchen versank, wo die unwahrscheinlichsten Dinge möglich waren - man konnte ja nie wissen.
    Rosaleen schlug die Melonen an einem scharfen Stein auf. Wir aßen sie bis auf die blanke Schale auf, dann schöpften wir mit bloßen Händen Wasser aus dem Bach und tranken, ohne uns weiter Gedanken wegen Algen oder Kaulquappen zu machen - oder darüber, ob Kühe den Bachlauf vielleicht als Toilette benutzten. Dann saßen wir am Ufer und sahen einander an.
    »Ich will nur eins wissen, warum von allen Orten auf dieser Welt hast du ausgerechnet Tiburon ausgesucht«, sagte Rosaleen. »Ich hab noch nich’ mal davon gehört.«
    Obwohl es dunkel war, zog ich das Bild der schwarzen Maria aus meiner Tasche und gab es ihr. »Es gehörte meiner Mutter. Auf der Rückseite steht ›Tiburon, South Carolina‹.«
    »Nur, damit ich das verstehe. Wir gehn nach Tiburon, weil deine Mutter ein Bild hatte, auf dem das hinten drauf steht. Das ist der Grund? «
    »Na ja, denk mal darüber nach«, sagte ich. »Sie muss ja irgendwann in ihrem Leben da gewesen sein, um überhaupt an das Bild zu kommen. Und wenn sie da war, wird sich vielleicht jemand an sie erinnern, wer weiß.«
    Rosaleen hielt das Bild ins Mondlicht, damit sie besser sehen konnte. »Wer soll’n das sein?«
    »Die Jungfrau Maria«, sagte ich.
    »Na, falls es dir noch nich’ aufgefallen ist, die hier ist farbig«, sagte Rosaleen, und ich konnte sehen, das machte Eindruck auf sie, so wie sie mit halb offenem Mund das Bild ansah. Ich konnte ihre Gedanken lesen: Wenn die Mutter Jesu schwarz ist, warum erzählt man uns dann nur von einer wei ßen Maria? Das wäre so, als ob die Frauen eines Tages herausfinden würden, dass Jesus eine Zwillingsschwester hatte, die zwar die Hälfte von Gottes Genen abbekommen hatte, nichts aber von Seiner Pracht und Herrlichkeit.
    Sie gab es mir zurück. »Na, dann kann ich ja jetzt beruhigt sterben, was soll mich jetzt noch erschüttern.«
    Ich steckte das Bild wieder in meine Tasche. »Weißt du, was T. Ray über meine Mutter sagt?«, fragte ich, denn ich wollte ihr endlich erzählen, was passiert war. »Er sagt, sie hätte mich und ihn verlassen, lange, bevor sie starb. Dass sie an dem Tag, an dem der Unfall passiert ist, nur zurückgekommen wäre, um ihre Sachen zu holen.«
    Ich wartete, dass Rosaleen sagen würde, wie albern das sei, aber sie blickte geradeaus und schien die Möglichkeit zu erwägen.
    »Aber das ist nicht wahr«, sagte ich ein wenig zu schrill, so als ob sich etwas um meine Stimme gelegt und sie meinen Hals rauf gequetscht hätte. »Aber wenn er glaubt, dass ich ihm die Geschichte abnehme, dann fehlt ihm doch was an seinem so genannten Hirn. Er hat das doch nur erfunden, um mich zu bestrafen. Da bin ich sicher.«
    Ich hätte hinzufügen können, dass Mütter Instinkte und Hormone haben, die sie daran hinderten, ihre Babys zu verlassen, dass selbst Schweine und Opossums ihren Nachwuchs nicht einfach im Stich ließen, aber Rosaleen hatte die Angelegenheit endlich erwogen und sagte: »Hast sicher Recht. So wie ich deinen Vater kenn, der könnt so was tun.«
    »Und meine Mutter könnte eben nie tun, was er gesagt hat«, fügte ich hinzu.
    »Ich kannte deine Mama nicht«, sagte Rosaleen. »Aber ich hab sie manchmal von weitem gesehen, wenn ich aus der Plantage vom Pflücken kam. Beim Wäsche Aufhängen oder Blumen Gießen, und du warst immer an ihrer Seite und hast gespielt. Ich hab sie nur ein einziges Mal gesehen, wo du nich’ an ihr gehangen hast.«
    Ich hatte nicht gewusst, dass Rosaleen meine Mutter überhaupt jemals gesehen hatte. Mir war

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