Die Bischöfin von Rom
meiner Eigenschaft als Imperator streiten.
In den Edikten, die zusammen mit diesem Brief nach Rom gelangen, wirst du meinen unverbrüchlichen Willen erkennen, denjenigen Einhalt zu gebieten, die sich in ihrer skrupellosen Machtgier beinahe schon den Göttern gleich wähnen. Ich gehe gegen sie vor, weil sie schlimmste geistige Verirrung und damit schweres Leid über Rom und Italien bringen, und es ist mir nur zu gut bewußt, welchen Schaden sie bereits anrichteten. Unsere Aufgabe ist es nun, die Wunden, die sie schlugen, zu heilen; darin, dessen bin ich gewiß, sind wir beide uns völlig einig.
Als wir uns auf dem Schlachtfeld von Samarobriva begegneten, warst du gerade dabei, einen schwerverletzten Legionär zu verarzten, und dank deiner Fürsorge blieb er, ganz wie auch ein verwundeter Franke, um den du dich unmittelbar zuvor gekümmert hattest, am Leben. Genauso, das ist meine Bitte an dich, mögest du jetzt als Episcopa das Leid lindern, welches aufgrund der Machenschaften des Patriarchats zu beklagen ist; ich wiederum will dir dabei jede Hilfe zukommen lassen, die mir möglich ist.
Abschließend möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dich bald wiederzusehen, damit wir so ungezwungen wie früher miteinander plaudern können. Voraussichtlich – sofern meine Pflichten mich nicht von neuem an die ständig bedrohten Reichsgrenzen rufen – werde ich im kommenden Herbst in Rom weilen, und du mußt mir dann unbedingt einen Besuch abstatten.
Lebe wohl und erfülle die Aufgabe, die dir vom Schicksal anvertraut wurde! – Julian.«
Branwyn las den Brief mehrmals, danach saß sie lange sinnend da und erinnerte sich an den Abschied von dem damaligen Militärtribun in Samarobriva. An jenem Morgen, da Julian an der Spitze seines Heeres abgezogen war, hatte sie sich gewünscht, ihn irgendwann wiederzusehen, und nun würde es noch vor Ablauf dieses Jahres aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich so kommen.
Und wenn es erst soweit ist, werde ich ihn dazu bringen, einige der sozialen Einrichtungen in unseren Gemeinden zu besuchen, überlegte sie. Zwar hätte keiner der früheren Kaiser sich dazu bereitgefunden, aber Julian wird es tun, und er wird erkennen, daß gerade die Waisenhäuser, Hospitäler, Schulen und Ambulanzen für die Alten die beste Waffe gegen das Patriarchat darstellen. Dies wiederum wird ihn dazu bewegen, uns massive staatliche Unterstützung zu gewähren, wodurch wir das karitative Netz immer dichter knüpfen und es vielleicht noch weit über die Stadtgrenzen hinaus ausdehnen können …
***
Schon wenige Tage später berief Branwyn eine Versammlung aller Priester und Gemeindevertreter ihrer Diözese ein und informierte sie über die Grundzüge des kaiserlichen Schreibens sowie über die Chancen, die sich daraus eröffneten. Die soziale Arbeit in den verschiedenen Kirchensprengeln erhielt auf diese Weise zusätzlichen Auftrieb; während der Frühjahrs- und Sommermonate dieses Jahres 362 gediehen verschiedene Projekte, welche die junge Bischöfin in Angriff genommen hatte, bedeutend schneller als ursprünglich gedacht.
Dies wurde zum einen durch die ideelle Hilfestellung Julians möglich; zum anderen aufgrund kräftiger finanzieller Zuwendungen, die bereits jetzt aus der Staatskasse zu fließen begannen. Darüber hinaus – weil der neue Imperator auch jüdische Gemeinden und heidnische Gruppierungen förderte, so sie nur bestrebt waren, ihren Beitrag für das allgemeine Wohl zu leisten – kam es in verschiedenen Fällen zu fruchtbarer überkonfessioneller Zusammenarbeit. Christen halfen bei der Renovierung von Tempeln oder Synagogen, die unter katholischem Vandalismus gelitten hatten; Heiden und Juden beteiligten sich im Gegenzug an christlichen Vorhaben.
Dank dieses humanen Miteinander veränderte sich die Atmosphäre in Rom. Die Zeiten, in denen es Liberius gelungen war, die Bevölkerung durch infame Intrigen, die Zurschaustellung militärischer Macht oder brutale Übergriffe bis hin zum Massenmord einzuschüchtern, schienen endgültig vorüber zu sein. Vielmehr wurde jetzt sogar diskutiert, ob es nicht irgendwann möglich sein werde, das Patriarchat für seine Verbrechen – insbesondere das Massaker in Sancta Maria Maiora – juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Auch Branwyn war der Meinung, daß dies, damit den Opfern wenigstens posthum Gerechtigkeit widerfahre, geschehen müsse. Sie hoffte, der Kaiser würde im Herbst, wenn er nach Rom käme, entsprechende Schritte in die Wege
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