Die Bischöfin von Rom
der Lüge
in Trauer versetzte.
Denn bei seinem Anblick
frohlockten die Bestien,
die Wölfe traten auf seine Seite,
und die Schakale heulten vor Freude.«
Unter den Augen des Jovianus hatte der kleinasiatische Kirchenfürst den Ermordeten, dem die Werte der Humanität und Toleranz so wichtig gewesen waren, mit Schmutz beworfen; ähnlich schändliche Vorkommnisse wurden aus anderen Städten des Imperiums bekannt. In den Theatern Antiochias an der syrischen Mittelmeerküste, wo ein mit Liberius verbündeter Patriarch herrschte, führte man, um das Attentat auf Julian zu feiern, Komödien teils obszönen Inhalts auf und organisierte Freudentänze in den Kirchen. Im ägyptischen Alexandria wurden öffentliche Bücherverbrennungen veranstaltet; die Reden- und Gedichtesammlungen, die zu Lebzeiten des sowohl philosophisch als auch poetisch geschulten Kaisers erschienen waren, wurden auf den Scheiterhaufen zum Raub der Flammen. Anderswo stürzten aufgepeitschte Pöbelhaufen Statuen Julians von ihren Podesten oder besudelten Wandgemälde, die ihn darstellten, und stets war es der katholische Klerus, welcher seine blindgläubigen Anhänger zu solch barbarischen Exzessen aufhetzte.
Ende August schließlich, als Liberius sicher sein konnte, daß der neue Imperator Jovianus fest genug im Sattel saß, ließ auch das römische Patriarchat seine Maske fallen. Zuerst in der Lateranbasilika und unmittelbar darauf in den übrigen katholischen Kirchen der Stadt verstiegen sich die Prediger dazu, dem toten Kaiser alle nur denkbaren Laster zu unterstellen.
Die Priester beschimpften Julian als Schwarzmagier, Zauberer und Teufelsanbeter; sie behaupteten, seine Paläste seien über viele Jahre hinweg Schauplätze gräßlicher Orgien gewesen: verworfener Baalsrituale, bei denen Knaben geschlachtet und blutjunge Mädchen geschändet worden seien. Wegen dieser und zahlloser anderer gotteslästerlicher Greueltaten, die ein Christenmund noch nicht einmal auszusprechen wage, müsse das Andenken an den zur Hölle gefahrenen Apostaten mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden! Die kämpferischen Christen in Tarsos, Antiochia, Alexandria und vielen anderen Hochburgen des einzig wahren Glaubens seien den Römern darin bereits auf verdienstvolle Weise vorangegangen, und diejenigen in der Tiberstadt, denen an ihrem Seelenheil liege, sollten sich daran ein Beispiel nehmen!
Als Folge solcher Volksverhetzung kam es auch in Rom zu Ausschreitungen, allerdings hielten sie sich in Grenzen; die Randalierer beschränkten sich auf vereinzelte Sachbeschädigungen. Wenn, zumindest vorerst, nicht mehr passierte, so lag dies vor allen Dingen am außerordentlich guten Ruf, den die nichtkatholischen Gemeinden genossen. Es war den meisten Bürgern sehr wohl bewußt, wieviel Gutes die von der jungen Bischöfin Theodora geführten Kirchensprengel in der Vergangenheit getan hatten, und welch brutale Störungen des öffentlichen Friedens andererseits Liberius anzulasten waren. Zahlreiche Menschen kamen in diesen Tagen zu Branwyn und versprachen ihr, in den jetzt zu erwartenden schwierigen Zeiten zu ihr zu halten; sie solle sich durch die Aggressionen des Patriarchats nicht einschüchtern lassen und weiterhin ihren für Christen, Juden und Heiden gleichermaßen segensreichen Weg gehen.
Branwyn war dankbar für diese Zuwendung; das Vertrauen der Gläubigen in ihre Kraft half ihr, den Schock über den furchtbaren Rückschlag, den ihre Sache erlitten hatte, zu überwinden. Kaum hatte sie von den ersten Ausschreitungen des vom päpstlichen Klerus aufgestachelten Pöbels erfahren, sagte sie sich, daß sie Liberius nun um so entschlossener Widerstand leisten müsse. Sie verfaßte einen Hirtenbrief, vervielfältigte ihn mit Hilfe einiger Schreibkundiger aus ihrer Gemeinde und verteilte die Kopien noch in derselben Nacht persönlich an sämtliche Presbyterinnen und Presbyter der von ihr geleiteten Diözese.
Am folgenden Sonntagmorgen wurde die Proklamation in allen nichtkatholischen Gotteshäusern der Tiberstadt verlesen; der Inhalt des Briefes war kurz, aber prägnant: Mit sehr deutlichen Worten hatte die Bischöfin an die menschenfreundliche Politik Julians erinnert und die karitativen Projekte aufgelistet, die dank seiner Hilfe realisiert worden waren. Abschließend hatte Branwyn die rhetorische Frage gestellt, ob ein Kaiser, dem so eindeutig an der Wohlfahrt seiner Untertanen gelegen habe, nicht gerade aus diesem Grund jenen ein Dorn im Auge gewesen sein müsse, die stets nur
Weitere Kostenlose Bücher