Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
Vom Netzwerk:
vor den Mauern der genannten Stadt dermaßen eingeschüchtert, daß sie sich zu Friedensverhandlungen bereitfanden. Nach deren Abschluß Mitte Juni hatte der römische Kaiser den Rückmarsch angetreten; am 26. Tag desselben Monats war es, auf halbem Weg zum Euphrat, zu einem Attentat auf den Imperator gekommen.
    Ahnungslos und ohne Helm war Julian inmitten seiner Leibgarde geritten, als sich ein Centurio unter dem Vorwand, eine wichtige Meldung von der Nachhut zu bringen, näherte. Auf einen Wink des Kaisers hin hatte der Offizier sein Pferd an Julians Seite getrieben – und im nächsten Moment sein Schwert gezogen. Mit einer tödlichen Schädelwunde war der Imperator aus dem Sattel gestürzt; der Meuchelmörder wiederum hatte unmittelbar nach dem hinterhältigen Anschlag versucht, sich selbst zu entleiben, was freilich verhindert werden konnte.
    Beim Verhör des Attentäters waren die Hintergründe des ungeheuerlichen Verbrechens ans Licht gekommen. Zunächst hatte der Centurio sich eifernd als katholischer Christ und Anhänger des römischen Patriarchats zu erkennen gegeben und sodann seinen Haß auf den Kaiser herausgebrüllt. Julian sei ein Apostat, ein vom einzig wahren Glauben abgefallener Verräter, und zudem ein Götzenanbeter gewesen! Kaum auf den Thron gelangt, habe er überall im Reich die verfluchte heidnische Abgötterei gefördert und sich darüber hinaus mit der Brut der jüdischen Gottesmörder gemein gemacht! Tausendfach habe der vom Bösen besessene Imperator deshalb den Tod verdient; die rächende Hand Christi selbst habe ihn zur Strafe für seine Untaten niedergestreckt, und nunmehr werde die verdammte Seele des Flavius Claudius Julianus auf ewig in der Hölle schmoren!
    Bebend vor Zorn hatten sich die Stabsoffiziere und Leibwächter diese Tirade des Centurio angehört; unmittelbar darauf war der Attentäter hingerichtet worden. Anschließend, während das Heer sich auf die Totenfeier für den ermordeten Kaiser vorbereitete, waren Eilboten davongesprengt, um die furchtbare Kunde nach Konstantinopel zu bringen, von wo aus Stafettenreiter und Schnellsegler sie im gesamten Reich verbreiteten.
    ***
    Branwyn hielt sich gerade im Waisenhaus der Gemeinde von Sancta Praxedis auf, als die entsetzliche Nachricht sie erreichte. Im ersten Schock brach sie in heftiges Weinen aus; all die Hoffnungen, die sie und die vielen tausend Menschen ihrer Diözese in Julian gesetzt hatten, waren mit einem Schlag zunichte geworden. Der Schmerz der jungen Bischöfin über den sinnlosen Tod des Kaisers, der im gleichen Alter wie sie gestanden hatte, ging tief; hinzu kam sehr schnell die beängstigende Vermutung, daß der fanatisierte Meuchelmörder keineswegs aus eigenem Antrieb, sondern im Auftrag sehr mächtiger Hintermänner gehandelt hatte. Im Verlauf der beiden folgenden Wochen wurde dieser Verdacht immer mehr zur Gewißheit, denn es trafen weitere Meldungen ein, die deutlich machten, wer die Nutznießer des hinterhältigen Anschlages waren.
    Zunächst erfuhr die römische Bevölkerung von der Wahl eines neuen Kaisers, die offensichtlich mehr oder weniger aufgrund eines Militärputsches erfolgt war. Kaum nämlich hatte Julian, dessen Leichnam in Mesopotamien notdürftig einbalsamiert und dann über den Euphrat zur kleinasiatischen Stadt Tarsos gebracht worden war, dort sein Grab gefunden, hatten die Truppen einen Tribun namens Jovianus zum Imperator ausgerufen. Dieser hohe Offizier, der von Julian nur ungern und allein aus politischen Rücksichten im Stab geduldet worden war, hatte das Gros der einfachen Legionäre durch Versprechungen, sie nach der Rückkehr an den Bosporus reich mit Gold zu belohnen, auf seine Seite gebracht. Auf diese Weise war der Anhang des Toten – die Leibwache sowie das seiner Sache nach wie vor treu ergebene Offizierskorps – entmachtet worden, und an die Spitze des Imperiums war, wie zum Hohn für den Ermordeten, ein Mann getreten, der es offen mit den Zielen des Patriarchats hielt.
    Wes Geistes Kind Jovianus war, hatte sich schon unmittelbar nach seiner Krönung gezeigt, als der neue Imperator eine öffentliche Verhöhnung seines Vorgängers duldete. Am Grab Julians war mit großem Gepränge Ephraim, der katholische Bischof von Tarsos, erschienen und hatte den Toten mit folgenden haßerfüllten Versen verspottet:
    »Ich kam, meine Brüder, und nahte mich dem Kadaver des Unreinen.
Ich stand über seiner Leiche
und verhöhnte sein Heidentum.
Heil dem, der ihn vernichtete
und alle Söhne

Weitere Kostenlose Bücher