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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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die nach dem Jahr 313 geschlossenen heidnischen Tempel und jüdischen Synagogen von neuem zu öffnen und sie für die Bevölkerung zugänglich zu machen. Wo derartige Gebetsstätten während der vergangenen Jahrzehnte verwüstet worden seien, müsse Schadenersatz geleistet werden; wo das Patriarchat solche Gebäude, beziehungsweise arianische Kirchen gewaltsam für sich vereinnahmt habe, müßten diese an die ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben werden. Was schließlich das christliche Priesteramt auf allen Ebenen angehe, so seien die Gemeinden und Diözesen gehalten, die volle Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu gewährleisten, so wie es dem Nächstenliebegebot Jesu und den unmißverständlichen Aussagen des Apostels Paulus entspreche.
    Von den Gläubigen jener Kirchensprengel, denen Branwyn vorstand, wurden die Erlasse Julians mit großer Genugtuung aufgenommen. Für Liberius und dessen Anhängerschaft hingegen, die schon durch die aufsehenerregende Wahl Branwyns zur Bischöfin ins Hintertreffen geraten waren, stellten die Edikte einen weiteren schweren Rückschlag dar. Freilich befürchteten viele Bürger, daß das Patriarchat, sobald man im Lateranpalast zur Besinnung gekommen sei, unter Ausschöpfung aller juristischen Winkelzüge Widerstand leisten und beispielsweise die Rückgabe der ehemals arianischen Gotteshäuser Sancta Magdalena, wohin seinerzeit die obskuren Reliquien des vorgeblichen Märtyrers Sebastianus gebracht worden waren, und Sancta Maria Maiora, wo das grauenhafte Blutbad stattgefunden hatte, so lange wie möglich hinauszögern werde.
    Auch Branwyn hegte diesen Verdacht – und fand schon am Tag nach der Proklamation der Dekrete Gelegenheit, mit einem der kaiserlichen Sendboten darüber zu sprechen. Der Kurier aus Konstantinopel suchte sie im Atriumhaus auf und erklärte, er sei gekommen, um sie, da Liberius sich vermutlich nicht kampflos beugen werde, als Verbündete bei der Durchsetzung der Edikte zu gewinnen. Die junge Bischöfin versprach, alles in ihren Kräften Stehende zu tun; zuletzt beteuerte sie noch einmal: »Weil es dem Imperator um Toleranz und Humanität geht, unterstütze ich ihn von Herzen gerne, und ich bitte dich, ihm das mitzuteilen, wenn du an seinen Hof zurückgekehrt bist.«
    »Der Kaiser wird sich sehr darüber freuen!« versicherte der Bote. »Dies um so mehr, als er offenbar auch persönlichen Anteil an dir nimmt und mir ein Schreiben an dich mitgegeben hat …«
    »Du hast einen Brief Julians für mich?« stieß Branwyn überrascht hervor.
    Lächelnd nickte der Kurier, zog eine gesiegelte Pergamentrolle aus seiner Umhängetasche und überreichte Branwyn das Schreiben. Wenig später dann, nachdem der Sendbote sich wieder verabschiedet hatte, las sie:
    »Flavius Claudius Julianus, Imperator,
    an die Episcopa Theodora mit freundschaftlichen Grüßen!
    Vieles hat sich ereignet, seit wir vor beinahe sechs fahren in der gallischen Stadt Samarobriva zusammentrafen. Du stelltest dich mir damals unter deinem keltischen Namen vor und befandest dich auf der Reise nach Rom, ich schlug mich als Militärtribun mit fränkischen Raubscharen herum. Nur wenige gemeinsame Stunden waren uns in jenen Tagen vergönnt, dennoch bliebst du mir bis heute in Erinnerung. Vielleicht vermochte ich dich nicht zu vergessen, weil du an einem der Abende in Samarobriva meine (in Wahrheit wohl doch eher bescheidene) Dichtkunst lobtest; möglicherweise bewahrte ich dein Bild aber auch wegen deiner Schönheit sowie der Warmherzigkeit und Intelligenz, die aus jedem deiner Sätze sprachen, in meinem Gedächtnis.
    Auf jeden Fall empfand ich große Freude, als ich vergangenen Herbst von deiner Erhöhung zur Episcopa aller nichtkatholischen römischen Kirchengemeinden erfuhr. Eigentlich wollte ich dir sofort dazu gratulieren, aber wie du weißt, überstürzten sich zum selben Zeitpunkt die Ereignisse in Konstantinopel. Der Tod meines Onkels Konstantius, die Leichenfeiern, meine Krönung und die Übernahme der Staatsgeschäfte zwangen mich dazu, alles andere hintanzustellen. Nun jedoch finde ich endlich die Muße, dir zu schreiben und dich zu deinem Aufstieg zu beglückwünschen, den du, wie meine Gewährsleute mir ebenfalls berichteten, ganz gewiß nicht aus Eigennutz anstrebtest. Vielmehr tratest du dein hohes Amt in dem Verlangen an, die Ideale der Menschenliebe und Toleranz gegen ihre Widersacher zu verteidigen – und für dasselbe Ziel, das verspreche ich dir, werde auch ich in

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