Die Bismarcks
wenige Stunden zuvor in Berlin gesehen hatte, bei der Familie im Potsdamer Regierungspräsidium ein. Gottfried ging im Salon ruhelos auf und ab und wiederholte: »Es ist einfach nicht möglich! Es ist ein Trick. Stauffenberg hat doch gesehen, dass er tot war!« 51 Danach wollte er mit Helldorf telefonieren. Die Verbindung kam jedoch nicht zustande.
Bis in die Nachtstunden hinein hoffte Gottfried auf einen gelingenden Umsturz. Er war der Meinung, das Regime könne gestürzt werden, selbst wenn der Diktator im fernen Rastenburg noch am Leben sei. Panzer der Truppenschule Krampnitz rasselten an der Wohnung in Richtung Berlin vorbei. Nun rief Helldorf mehrere Male an, ebenso der Potsdamer NSDAP -Parteichef, der wegen angeblicher Unruhen in der Hauptstadt Instruktionen verlangte. Gottfried spielte auf Zeit. Um zwei Uhr früh, eine Stunde nach der Ansprache Hitlers, wurde ihm klar, dass der Umsturzversuch gescheitert war. Zusammen mit seiner Frau fuhr Gottfried am Morgen nach Berlin, offenbar um Helldorf zu sehen. Stunden später ging er zu der Treuekundgebung für den »Führer«, die auf dem Potsdamer Bassinplatz stattfand. Die Rote Armee stand vor den Grenzen von Ostpreußen. Die US -Army war wenige Wochen später in Aachen.
Die Anspannung, unter der die Bismarcks standen, wurde unerträglich. Am 24. Juli 1944 erschien Schwester Hannah unangemeldet bei ihrem Bruder. Sie wollte von ihm wissen, inwieweit er in den Anschlag verstrickt sei. Gottfried hatte über die Jahre als sehr vorsichtiger Mensch eisern geschwiegen. Sie selbst war Teilnehmerin eines Teegesprächs des sogenannten Solf-Kreises am 10. September 1943 gewesen. Mehrere Mitglieder dieser Oppositionsgruppe waren im Januar 1944 nach einem weiteren Treffen festgenommen und später hingerichtet worden. Das Auffliegen des Solf-Kreises führte auch zur Verhaftung von Helmuth James von Moltke.
Gottfried geriet gegenüber seiner Schwester ins Stottern, sagte aber nichts. Am gleichen Tag wurde Helldorf verhaftet. Am 28. Juli 1944 reiste Gottfried mit einer Cousine, der Prinzessin Eleonore-Marie von Schönburg-Hohenstein, genannt »Loremarie«, nach Reinfeld. Er wollte dort einen dreiwöchigen Urlaub verbringen und die Entwicklungen abwarten. Gottfrieds Frau Melanie befand sich mit den drei Kindern bereits auf dem Gut. Wegen der Luftangriffe auf Berlin war Reinfeld ein wichtiger Rückzugsort für die Familie geworden. Die Polizei hatte auf der Strecke von Berlin nach Reinfeld, die Gottfried zu nehmen pflegte, schon Sperren errichtet. Nur weil er unterwegs eine Panne mit seinem Fahrzeug hatte und die Fahrt mit Loremarie per Bahn fortsetzen musste, kamen die beiden unbemerkt ans Ziel. Aber schon in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli 1944 wurde Gottfried gegen zwei Uhr früh auf seinem Gut verhaftet, Ulrich von Hassell am gleichen Tag.
Der Haftbefehl kam aus Berlin. Die örtlichen Beamten waren aber rücksichtsvoll und erlaubten Gottfried immerhin, sich von seiner Familie zu verabschieden. Dabei gelang es ihm, Loremarie zuzuflüstern, dass sie den restlichen Sprengstoff entsorgen solle, der sich noch im Keller des Potsdamer Regierungspräsidiums befand. Gottfried hatte ihr das ursprüngliche Versteck in einem Schrank in seinem Büro wenige Tage zuvor gezeigt. Die zu Tode erschrockene junge Frau hatte ihn daraufhin überredet, die Pakete wenigstens in den Keller zu befördern, da das Büro mit Sicherheit durchsucht werde. Gottfried gelang es nun, ihr einen Safeschlüssel zuzustecken. Loremarie setzte sich durch die Hintertür ab und erwischte den in der Nähe abgehenden Milchzug nach Potsdam und traf in der »Regierung« um sieben Uhr morgens ein.
Loremarie barg die zwei schuhkartongroßen Packstücke, schwer wie Blei, bestieg ein Fahrrad, platzierte den ersten Karton auf der Gepäckstange und radelte zum Park von Sanssouci. Unterwegs kollidierte sie an einer Kreuzung mit dem Dreirad eines Lieferantenjungen, stürzte vom Rad und warf sich mit ihrem Körper über die Sprengladung. Natürlich passierte nichts. Kurz danach versenkte sie das Paket in einem Teich des Parks, aber trotz aller Bemühungen ging das Stück nicht unter. Als auch die Versuche, es mit einem Ast hinunterzudrücken, nicht fruchteten, fischte Loremarie es wieder heraus und vergrub es im Park hinter einigen Büschen. Erst jetzt sah sie, dass sie von der anderen Seite des Teichs aus von einem Mann beobachtet wurde. Hatte er etwas gesehen? Sie wusste es nicht und fuhr panikerfüllt nach
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