Die Bismarcks
Antwort.
Philippa drohte die Anklage vor dem Volksgerichtshof. Marguerite, das älteste Kind von Hannah, musste nur wenige Stunden im Gefängnis bleiben, da sie als Oberärztin in der Charité dringend benötigt wurde. Sie erwartete von einem verheirateten Kollegen, den Hannah rundheraus ablehnte, ein Kind. Nach seiner Scheidung heiratete sie den Mann. Die jungen Frauen erlebten in dem Polizeigefängnis schreckliche Stunden und Tage, da sie während der Luftangriffe nicht in die Schutzkeller durften, sondern angekettet in ihren Zellen bleiben mussten. Hin und wieder erbarmten sich die Wärterinnen und nahmen die Mädchen aus »dienstlichen Gründen« mit. Otto, Hannahs Bruder, suchte seine Nichten einmal im Gefängnis auf.
Gisevius überlebte das Verfahren vor dem Volksgerichtshof nur mit Glück, Helldorf und Hayessen wurden bereits am 15. August 1944 hingerichtet, Helldorf bis zum letzten Moment geradezu bestialisch gequält. 14 Tage später, am 29. August 1944, wurde Gottfried das Reichstagsmandat entzogen. Man degradierte ihn zum gemeinen SS -Mann und schloss ihn am 1. September 1944 aus der SS aus. In der Erklärung von Himmler hieß es: »Sie sind erwiesenermaßen aktiv in den Attentatskomplex des 20. Juli 1944 verwickelt und haben dadurch Ihre Ehre verloren.« Gottfried quittierte die Entscheidung mit der Unterschrift unter ein Revers am 29. September 1944.
Gottfried kam als persönlicher Gefangener Hitlers in das Konzentrationslager Sachsenhausen, wie Eduard Michaelis, der Dolmetscherkamerad, in seinem Tagebuch festhielt. Am 4. Oktober 1944 erfolgte die Anklageerhebung vor dem Volksgerichtshof. Zusammen mit dem Botschafter a. D. Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, dem Staatssekretär a. D. Erwin Planck, Sohn des Nobelpreisträgers Max Planck, und dem Wirtschaftswissenschaftler Jens Peter Jessen musste Gottfried am 23. Oktober 1944 vor dem Ersten Senat des Volksgerichtshofs erscheinen. Während Freisler die drei anderen Angeklagten zum Tode verurteilte, wurde Gottfried wegen mangelnder Beweise freigesprochen. Es war in Verbindung mit dem 20. Juli 1944 der erste Freispruch überhaupt. Zuvor war sein Verfahren abgetrennt worden. Man warf ihm zwar vor, mit Helldorf eine enge Freundschaft gepflegt zu haben und Olbricht und Stauffenberg im Frühjahr 1944 je einmal bei sich privat empfangen zu haben, unterstellte ihm aber nicht, dass er die Weltsicht der Verschwörer geteilt habe. Gottfried hatte im Gegenteil behauptet, nach den Gesprächen mit den beiden Offizieren vorgehabt zu haben, die Angelegenheit bei Himmler zu melden. Der Reichsführer SS habe jedoch keine Zeit für ihn gehabt.
Freisler schöpfte anscheinend auch keinen Verdacht, obwohl die Ermittler herausgefunden hatten, dass Gottfried am 15. und 20. Juli 1944 zusammen mit Helldorf im Bendlerblock gewesen war. Was Gottfried von Bismarck im Laufe des Tages getan hatte, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Gericht ging davon aus, dass er nach der Nachricht von Hitlers Tod sofort nach Potsdam zurückgekehrt sei. »Entsprechend seiner gewohnten Passivität«, wie es im Prozessbericht hieß, habe der Regierungspräsident »keine Maßnahmen gegen den Putschversuch unternommen.« Der Oberreichsanwalt beantragte dennoch einen Freispruch für Gottfried und gab »seiner Genugtuung Ausdruck, dass auf den Namen des Schöpfers des Zweiten Reiches kein Makel falle«. (sic!) Allerdings habe sich Bismarck nicht so verhalten, »wie es einem nationalsozialistischen Regierungspräsidenten zukomme«.
Auch Freisler zeigte sich bei der Verkündung des Freispruchs erleichtert darüber, dass die Hauptverhandlung die Befürchtungen nicht bestätigt habe, »dass dieser Name (Anm. des Vf.: Bismarck) 50 oder 70 Jahre später in einem Zusammenhang genannt werden musste, genannt werden sollte, den jeder Deutsche nur mit Abscheu von sich wies …« 56
Freisler, der Oberreichsanwalt, die ermittelnden Beamten wollten das Ausmaß der Verwicklung Gottfrieds in das Attentat nicht wirklich wissen und auch nicht ergründen. Sie hatten dazu alle Chancen. Die spärlich erhaltenen Prozessunterlagen zeigen, dass der Bismarck-Enkel viele Schutzengel hatte. Noch besaß der Name Bismarck Strahlkraft in Deutschland, noch gab es, vom Arbeiter auf Gottfrieds Gut über den Ermittlungsbeamten bis hin zum Personal bei Polizei, Wehrmacht, Gerichten und Partei, zu viele Menschen mit einem persönlichen Bezug zum Reichsgründer, dessen Tod erst
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