Die Bismarcks
waren überwiegend Repräsentanten des alten Preußen, die jetzt den Brandbeschleuniger zu spielen bereit waren, nicht den Brandauslöser. Gottfried war für die Verschwörer besonders wichtig, weil er als Regierungspräsident von Potsdam eine der großen deutschen Garnisonsstädte »kontrollierte« und die Polizei im Sinne der Verschwörer dirigieren sollte. Er hatte einen der höchsten SS -Ränge im Großraum Berlin und konnte die Uniform wie im Fall der Schwester als Überraschungsmoment einsetzen, dabei im Notfall auch seine Kompetenzen überschreiten. Sein Name und die Rangabzeichen würden ihm dienen, Zuständigkeiten und Hierarchien überspringen. Da die SS im Sommer 1944 der Wehrmacht im Großraum Berlin zahlenmäßig klar überlegen war, kam es besonders auf die Schul- und Reserveeinheiten an, die in der Nähe von Potsdam und dem großen Truppenübungsplatz Döberitz lagen. In besonderer Weise traf dies auf die Schule für Schnelle Truppen im Krampnitz zu. Sie verfügte über Panzer und konnte rasch ins Berliner Regierungsviertel verlegt werden. Gottfried stand aus diesem Grund auch mit dem SS -Gruppenführer Arthur Nebe und mit Rüdiger Graf von der Goltz in engem Kontakt. Er kannte den früheren Freikorpsführer aus seiner eigenen Soldatenzeit.
Gottfried war aber noch aus einem weiteren Grund von entscheidender Bedeutung für das Attentat am 20. Juli 1944: Er »hütete« dem Sprengstoff für die Bombe.
Ulrich von Hassell kam auf Einladung der Bismarcks vom 1. bis 3. Juli 1944 nach Friedrichsruh. Nach einem Besuch des Mausoleums notierte er: »Kaum zu ertragen, ich war dauernd an Tränen beim Gedanken an das zerstörte Werk. Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit ihm beschäftigt, und er wächst als Außenpolitiker dauernd bei mir. Es ist bedauerlich, welch falsches Bild wir selbst in der Welt von ihm erzeugt haben, als dem Gewaltpolitiker mit Kürassierstiefeln, in der kindlichen Freude darüber, dass jemand Deutschland endlich wieder zur Geltung brachte. In Wahrheit war die höchste Diplomatie und das Maßhalten seine große Gabe. Er hat verstanden, die Gegner auszumanövrieren und trotzdem in einziger Weise in der Welt Vertrauen zu erwecken, genau umgekehrt wie heute.« 49 Hassell empfahl Otto, ein Gemälde im Schloss über den deutsch-französischen Krieg abzuhängen, das Bismarck als Titan neben zwei in sich zusammengesunkenen französischen Politikern zeigte. »Manches andere verdiente das gleiche Schicksal«, schrieb Hassell.
Gottfried befand sich am 20. Juli 1944 am Brennpunkt des Geschehens, wie bereits fünf Tage zuvor, als er mit dem Berliner Polizeipräsidenten Helldorf in der Bendlerstraße gewesen war. Auch an diesem heißen, schwülen Tag hielt ihn nichts in Potsdam. Gottfried fuhr ruhelos in seinem Dienstauto diverse Punkte im Stadtzentrum Berlins ab, auf die entscheidende Mitteilung wartend. Anscheinend war er zunächst in einer der Privatwohnungen Helldorfs, dann in dessen Dienstsitz am Alexanderplatz, später zweimal in der Bendlerstraße. Aber dort tat sich nichts. Danach tauchte er bei zwei jungen adeligen, mit der Familie befreundeten Sekretärinnen auf, die in Ministerien arbeiteten. Er riet ihnen, so bald wie möglich zur »Regierung« nach Potsdam zu kommen. Mehr sagte er nicht.
Inzwischen war es Nachmittag geworden. Es gab keine neuen Nachrichten. Erst um 16.30 Uhr trafen Stauffenberg und von Haeften im Bendlerblock ein. Drei wertvolle Stunden waren unwiderruflich verloren. Innerhalb weniger Minuten waren auch Gottfried, Helldorf, von der Schulenburg, Gisevius und der Major Egbert Hayessen in dieser entscheidenden Stunde im Bendlerblock. 50 Hayessen spielte als Kurier und Akteur an mehreren Brennpunkten des Tagesgeschehens eine wichtige Rolle. Gisevius war formal Gottfrieds Untergebener, er hatte noch immer eine Planstelle im Potsdamer Regierungspräsidium inne, von der er lediglich beurlaubt worden war.
Freunde sahen Gottfried in den frühen Nachmittagsstunden im Berliner Stadtzentrum in erregtem Zustand, mit hochroten Flecken auf den Wangen. Er war offenbar in großer Eile und rief ihnen zu, dass sich in einigen Tagen alles regeln werde und sie dann wissen würden, »wie es mit uns weitergeht«. Danach sprang er in sein Auto und raste davon. Er fuhr auf Anweisung seiner Mitverschwörer zurück nach Potsdam. Gottfried ging zu diesem Zeitpunkt offenbar noch immer von einem geglückten Attentat aus. Kurz nach 18 Uhr trafen die beiden jungen Damen, die er
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