Die Bismarcks
Eine Zeit lang kämpfte Otto darum, nicht ausbezahltes Geld zu erhalten, das sogenannte Wartegeld. Aufgrund eines Nierenleidens aus Jugendjahren drohte ihm im Gegensatz zu Bruder Albrecht immerhin nicht die Einberufung zur Wehrmacht. Im April 1944 kehrte Otto mit Ann Mari noch einmal nach Rom zurück, um von der Stadt und den verbliebenen Freunden endgültig Abschied zu nehmen.
Widerstand
Der Zeitpunkt, zu dem Gottfried von Bismarck zum Widerstand stieß – zur Kerngruppe um Stauffenberg –, ist aufgrund der schwierigen Dokumentationslage nicht eindeutig zu bestimmen. Vermutlich vollzog sich der Entschluss in Etappen. Einen entscheidenden Anteil daran hatte Schwester Hannah, aber nicht nur sie. Denn ein Teil jener Freunde, die wie er 1933 zu den Profiteuren der Machtergreifung Hitlers gehört hatten, ging 1938 auf Distanz zum Regime. Eine gewisse Rolle dürfte auch gespielt haben, dass Otto aus Großbritannien nach Berlin zurückgekehrt war und nun wieder ein enger Kontakt und Informationsaustausch zwischen den beiden Brüdern bestand. Die zweite Etappe war für Gottfried erreicht, als die deutsche Offensive vor Moskau im Dezember 1941 zusammenbrach. Unter militärstrategischen Gesichtspunkten markierten diese Winterwochen in Verbindung mit dem Kriegseintritt der USA die Wende im Zweiten Weltkrieg. 1942/43 kam es schließlich zu dem Direktkontakt mit Stauffenberg, der dritten Etappe auf dem Weg zum 20. Juli 1944. Gottfried entschloss sich, an den Verschwörungsberatungen teilzunehmen, sie mit allen Konsequenzen mitzutragen. In einer von Goerdeler geführten Regierung war er als Außenminister vorgesehen.
Es darf davon ausgegangen werden, dass die Frage, wie sich die Familie gegenüber dem Nationalsozialismus positionieren müsse, vom Sommer 1944 an wieder ein Dauerthema unter den fünf Geschwistern war. Neben Gottfried, der sich im Oktober 1944 vor dem Volksgerichtshof zu verantworten hatte, geriet auch Philippa, die jüngste Tochter von Hannah, in Lebensgefahr. Sie war mit dem Adjutanten von Stauffenberg, Werner von Haeften, befreundet. 47
Otto war nach seiner Rückkehr aus Italien und seinem Abschied vom Auswärtigen Dienst nicht dazu bereit, ein ähnliches Risiko einzugehen wie sein Bruder Gottfried. Aus seiner Sicht hatte er eine besondere Verantwortung für das Haus Bismarck. Aber es gibt viele Indizien dafür, dass er von den Plänen der Verschwörer wusste. Er traf mit Canaris, Oster, von Hassell und Hans von Dohnanyi zusammen, und vor allem Dohnanyi war ein Mann der klaren Worte, der Tatvorbereitung. 48 General Thomas und der Abwehrspezialist Hans Bernd Gisevius waren schon im Januar 1943 bzw. Sommer 1943 bei Otto in Rom gewesen. Nun sah man sich in Berlin wieder. Aufgrund seiner persönlichen Verbindungen nach Schweden und dem Ansehen, das der Name Bismarck beim Gegner genoss, wurde Otto von den Wallenberg-Brüdern Jacob und Marcus als potenzieller Kontaktmann zu Churchill ins Gespräch gebracht. Stauffenberg unterstützte die Idee.
Bruder Gottfried führte, wie Freunde beobachteten, seit dem Frühjahr 1943 unentwegt konspirative Gespräche an seinem Potsdamer Dienstsitz, »Regierung« genannt. Vor allem der Berliner Polizeipräsident Wolf-Heinrich Graf von Helldorf ging dort ein und aus. Zusammen mit ihm hatte Gottfried im April 1943 im Berliner Unionclub dem ehemaligen Vizekanzler von Papen den Plan unterbreitet, unter Führung des Exgeneralstabschefs Beck das Trio Hitler, Himmler und Bormann gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen. Papen vertrat Deutschland zu diesem Zeitpunkt als Botschafter in der Türkei. Auch mit Generalfeldmarschall von Kluge führte der Regierungspräsident lange Gespräche. Im Mai 1944 organisierte Gottfried eine Zusammenkunft mit General Olbricht und Helldorf in Potsdam, an der auch Otto teilnahm. Wenige Tage vor dem Attentat auf Hitler sprach Otto mit Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, einem Vertrauten von Gottfried. Schulenburg war in den 1930er-Jahren Vizepräsident der Berliner Polizei gewesen, also Stellvertreter Helldorfs. Man kann die Gruppe von Regierungs- und Polizeipräsidenten, zu der Gottfried von Bismarck gehörte, mit einem zweiten Ring um die Hauptakteure des 20. Juli 1944 vergleichen. Sie sind mit jenen Wehrmachtskommandeuren auf eine Stufe zu stellen, die bei Ausrufung der »Operation Walküre« zum Losschlagen bereitstanden. Erst dann konnten Polizei und Kriminalpolizei (wie in Paris) aktiv werden und auch Gottfrieds Stunde schlagen.
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