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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Zeitzeugen, Quellen, Folteropfer, die gegen die noch Lebenden in Stellung gebracht werden konnten. Erst ab Oktober ließ die Rachsucht des Regimes ein wenig nach.
    Die im Zusammenhang mit dem 20.   Juli 1944 gebildete Sonderkommission kam wenige Tage nach Gottfrieds Verhaftung zu dem Schluss, dass er »aktiv in den Attentatskomplex« verwickelt sei. Es war den Ermittlern gelungen, sein Itinerar am 15. und 20.   Juli 1944 nachzuvollziehen, die Begegnungen mit Helldorf, Hayessen und Gisevius offenzulegen und dazu die Vorgeschichte der konspirativen Gespräche seit 1942 zu erhellen, wie Kaltenbrunner dem Chef des SS -Personalhauptamtes, von Herff, am 18.   August 1944 mitteilte. In den zwei vorangegangenen Tagen waren die Spitzenbeamten des Potsdamer Regierungspräsidiums in Gottfrieds Arbeitszimmer von der Gestapo verhört worden. Man wollte von ihnen wissen, zu welchem Zeitpunkt Gottfried am 20.   Juli 1944 davon gesprochen hatte, dass Hitler tot sei, und warum er zu einem sehr frühen Zeitpunkt wusste, dass der Ausnahmezustand verhängt werde. Himmler war der Ansicht, dass der »Fall auf Grund der Vernehmungen bereits klarliegt«. 54 Zwei Briefe, die Gottfried zu seiner Entlastung im August 1944 an ihn schrieb, blieben unbeantwortet. Für die Beantwortung des Bittgesuchs, das Gottfrieds Mutter nach mehreren Entwürfen am 20.   August 1944 an Hitler richtete, ließ sich die Reichkanzlei viel Zeit. Staatssekretär Meissner teilte Marguerite Fürstin von Bismarck am 19.   September 1944 mit, dass Hitler zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Gespräch ablehne. Aber noch war Gottfried am Leben.
    Hannah war nach einem Familienrat am 1.   August 1944 mit ihren drei jüngsten Kindern nach Basel gereist. Die Schweizer Behörden hatten nur ihr ein Visum erteilt. Die in Potsdam verbliebenen vier Töchter wurden zwischen dem 21. und 23.   August 1944 verhaftet. Die Kinder von Otto und Ann Mari konnten angesichts der Gefahr, die der gesamten Familie drohte, noch am 22.   August 1944 nach Schweden ausreisen. Die drei Kinder von Gottfried und Melanie wurden zu Verwandten nach Österreich gebracht. Gottfried missbilligte später, dass seine Schwägerin ihre Kinder ins Ausland geschickt hatte. Er empfand diese Entscheidung als unpatriotisch.
    Die »Schwachstelle« der Familie war in diesen Wochen Philippa, die jüngste Tochter von Hannah. Sie hatte sich in einen jungen Offizier verliebt, der sie zum Entsetzen der Mutter heiraten wollte. Werner von Haeften, so sein Name, hatte Philippa seit 1943 von den Attentatsplänen gegen Hitler berichtet, ihr aber nie genaue Daten mitgeteilt. Als Philippa in dieser für Deutschland entscheidenden Woche mit Freunden segeln ging, erzählte einer der Begleiter, eine Kartenleserin habe ihm eröffnet, dass zwischen dem 16. und 20.   Juli 1944 ein Anschlag auf Hitler verübt werde. Nach einem Besuch des Lessing-Theaters am gleichen Abend, wo »Minna von Barnhelm« gegeben wurde, also am 16. oder 17.   Juli 1944, fragte Philippa ihren Begleiter Tony Graf Welsburg bei der Rückfahrt in der S-Bahn: »Wann ist es nun so weit?« – »Es ist verschoben«, lautete seine Antwort. Der Zufall wollte es, dass ein Gestapo-Beamter neben den beiden saß und jedes Wort mithörte. Wenige Wochen später wurde Philippa nach ihrer Festnahme mit diesem Sachverhalt konfrontiert. Der Gestapo-Beamte war nun der Ermittler. 55 Philippa brach nach einem 36-stündigen Verhör zusammen und unterschrieb ein Geständnis. Man sagte ihr im Laufe der Befragungen, dass Gottfried gehängt worden und Albrecht ebenfalls tot sei.
    Hannah und ihre Familie gerieten dadurch in das Blickfeld der nach dem 20.   Juli 1944 gebildeten Sonderkommission. Es wurde vorübergehend vermutet, dass sich Mitte Juli 1944 in ihrem Haus und Garten die entscheidenden Gespräche zwischen den Verschwörern abgespielt hatten. Das war aber gar nicht der Fall. Glücklicherweise gelangten die ersten Verhörprotokolle von Philippa nicht in die Hände der Gestapo-Spitze.
    Hannahs Töchter wurden in ein Berliner Frauengefängnis in der Neuen Kantstraße 79 gebracht. Zwei von ihnen kamen wegen der Rolle und Abwesenheit der Mutter in Sippenhaft. Kurz bevor die Tochter Diana abgeholt wurde, erhielt sie von der Gestapo einen Anruf mit der Aufforderung, Bettzeug für ihre Schwestern vorbeizubringen. Frech fragte sie zurück, ob sie dann nicht gleich Laken, Kissen und Bezüge für die ganze Familie mitbringen solle. »Ja, das wäre vielleicht das Beste«, lautete die

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