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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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Hause. Loremarie kam rechtzeitig zur »Regierung« zurück und vergrub das zweite Paket mithilfe eines Dienstmädchens in einem Blumenbeet im Garten. Die Haushaltshilfe schöpfte keinen Verdacht, aber Loremarie vergatterte sie trotzdem, nichts zu verraten, und fuhr davon. Eine halbe Stunde später erschienen die Gestapobeamten mit Gottfried und versiegelten die Aktenschränke und den Safe. Anschließend wurde das Haus mehrfach durchsucht, nicht jedoch der Garten.
    Nach einer anderen Version, die in der Bismarck-Familie kursiert, radelte Loremarie, die im Haus von Hannah von Bredow wohnte, nicht in den Park von Sanssouci, sondern in die Gegenrichtung, also über den »Neuen Garten« zur Wörther Straße in der Berliner Vorstadt. Sie versenkte das Paket unterwegs im sogenannten Hasengraben, der den Heiligen See mit dem Jungfernsee verbindet.
    Zwei Jahre zuvor war Loremarie, aus einem alten österreichischen Adelsgeschlecht stammend, auf eigene Faust nach Rom gereist. Bei einer Audienz bat sie den Papst um Erlaubnis, Hitler zu ermorden. Pius XII. soll nach einem Bericht ihres Bruders Peter nicht Ja und nicht Nein gesagt haben. Fünf Brüder Loremaries fielen im Zweiten Weltkrieg.
    Bruder Otto rechnete ebenfalls mit seiner Festnahme. Er wollte den Gang der Ereignisse in Friedrichsruh nicht abwarten, sondern kam mit seiner Schwägerin Melanie nach Berlin. Bei einem für ihn guten Ausgang konnte er Gottfried helfen. An der Rezeption des Hotels Adlon sah er seiner Verhaftung entgegen, aber niemand wartete auf ihn. Er versuchte, eine Verbindung zu Göring herzustellen, der oft sein Jagdgast in Friedrichsruh gewesen war, kam aber nicht an ihn heran. Auch die Gestapo erteilte keine Auskünfte. Später erfuhr Otto von Untersuchungsbeamten, dass der Fall seines Bruders »sehr ernst« sei. Die Fürstin Marguerite, das Familienoberhaupt, nahm die Nachricht von der Verhaftung ihres Sohnes gefasst entgegen. Sie sagte, sie habe immer damit gerechnet, dass Gottfried ein Hitler-Gegner sei.
    Gottfried wurde in das Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße eingeliefert, in Ketten gelegt, Verhören unterzogen und dabei schwer geschlagen, misshandelt und gefoltert. Man schlug ihm die Zähne aus, aber er stellte sich gegenüber seinen Peinigern dumm und unwissend. Seine Lage verschärfte sich, weil ein in Reinfeld tätiger Forstbeamter Gestapo und SS von zahlreichen Treffen Gottfrieds mit anderen Verschwörern berichtet hatte. Der Regierungspräsident bestritt die Aussage von Carl Friedrich Goerdeler, er sei über seinen schwedischen Freund, den Bankier Jacob Wallenberg, in der Lage gewesen, binnen weniger Tage einen Kontakt zu Churchill herzustellen. 52
    Gottfrieds Frau Melanie wurde am 1.   August 1944 ebenfalls in Haft genommen und erlitt eine Fehlgeburt. In einer Rede auf einer Gauleitertagung kündigte Himmler am 3.   August 1944 an, dass Gottfried und anderen der Prozess vor dem Volksgerichtshof gemacht werde. Als Folge von Gottfrieds Seitenwechsel und Verhaftung verlangte Hitlers Sekretär Bormann von Himmler am 11.   August 1944, die preußischen Regierungspräsidenten zu nachgeordneten Behörden der Oberpräsidenten zu degradieren. Er verwies dabei ausdrücklich auf das Verhalten von Gottfried und dessen Regierungspräsidenten-Kollegen von der Schulenburg und Refarth am 20.   Juli 1944. Gottfrieds Position in Potsdam wurde nicht nachbesetzt, obwohl er von Hitler wegen seiner Beteiligung an dem Attentat einen Monat später, am 19.   September 1944, aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden war und alle erworbenen Ansprüche verloren hatte. 53 Bereits am 9.   August 1944 war eine Anweisung an das Potsdamer Regierungspräsidium ergangen, alle Zahlungen an Gottfried einzustellen.
    Bismarcks Weggefährte von der Schulenburg war am 10.   August 1944 von Freisler zum Tod verurteilt worden. In seinem Schlusswort sagte Schulenburg: »Wir haben diese Tat auf uns genommen, um Deutschland vor einem namenlosen Elend zu bewahren. Ich bin mir klar, dass ich daraufhin gehängt werde, bereue meine Tat aber nicht und hoffe, dass sie ein anderer in einem glücklicheren Moment durchführen wird.« Fritz-Dietlof von der Schulenburg wurde noch am gleichen Tag gehängt, ein Schicksal, das nahezu alle Gesprächspartner Gottfrieds in den kommenden Wochen teilten, auch Ulrich von Hassell, der am 8.   September 1944 hingerichtet wurde. Alle im August und September 1944 Angeklagten, 49 an der Zahl, wurden hingerichtet. Mit ihnen verschwanden

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