Die Bismarcks
viereinhalb Jahrzehnte zurücklag.
Somit trat nicht der Fall ein, den Eugen Kogon, Verfasser des Buches Der SS -Staat , so beschrieben hat: »Der Hauptzweck der KL (Anm. des Vf.: Konzentrationslager) war die Ausschaltung jedes wirklichen oder vermuteten Gegners der nationalsozialistischen Herrschaft. Absondern, diffamieren, entwürdigen, zerbrechen und vernichten – das waren die Formen, in denen der Terror in Wirksamkeit trat. Dabei kam es nicht auf ›Gerechtigkeit‹ an; lieber zehn Unschuldige hinter Stacheldraht setzen, als einen wirklichen Gegner aus dem Auge verlieren!«
Aber Gottfried war noch nicht gerettet.
Auf Anordnung Himmlers wurde Gottfried von Bismarck nach dem Freispruch in das Konzentrationslager Flossenbürg abtransportiert. Gottfrieds Frau Melanie war bereits am 1. Oktober 1944, an einer Mittelohrentzündung laborierend, aus der Haft entlassen worden. Auch sie war gefoltert worden. Die Gestapo teilte ihr mit, dass Gottfried eine lebenslängliche Haftstrafe absitzen werde.
Über die Gründe des »Freispruchs« für Gottfried, gekoppelt mit anschließender KZ -Haft, kann man nur spekulieren. Ein Mitarbeiter der Informations- und Presseabteilung des Auswärtigen Amtes hielt in jenen Tagen in seinem Tagebuch fest: »Der Freispruch erspart dem Regime das makabre Schauspiel der Hinrichtung eines Enkels von Bismarck. Dagegen hört man nicht, dass anderen Verschworenen Pardon gegeben werde.« 57 Viel spricht dafür, dass es genau so war. Die Anordnung zum Freispruch Gottfrieds muss vom Diktator persönlich gekommen sein. Hitler räumte damit ein, dass die verbliebenen Fetzen der Kulturnation Deutschland stärker waren als das »Tausendjährige Reich«.
Ob und welche Rolle dabei der ehemalige Vizekanzler von Papen spielte, ist nicht ganz klar. Er war direkt nach dem Anschlag von seinem Posten in Ankara nach Deutschland zurückberufen worden und sah Otto von Bismarck und dessen Frau Anfang August 1944 in Berlin, unmittelbar vor einer Begegnung mit Hitler in Ostpreußen. Gottfried hatte Papen zu einem früheren Zeitpunkt darüber in Kenntnis gesetzt, dass er zusammen mit anderen plane, Hitler zu beseitigen, vermutlich bei der Begegnung im Berliner Unionclub. Dieses Wissen behielt Papen bei dem Treffen mit Otto für sich, versprach ihm jedoch, alles in seiner Macht Stehende bei der Begegnung mit Hitler zu unternehmen.
Als Papen in Rastenburg seine Bitte um Gnade für Gottfried vorgebracht hatte, geriet Hitler für einige Minuten außer sich. Aber dann stieß Papen in einem geeigneten Augenblick nach und regte an, Gottfried nicht hinzurichten zu lassen, sondern ihn lebenslänglich hinter Gitter zu bringen, um »dem schadenfrohen Auslande nicht auch noch die Freude eines Todesurteils für den Enkel des Reichsgründers (zu) bieten«. 58 Hitler widersprach dieser Argumentation offenbar nicht. Ob sie ausschlaggebend für seinen Entschluss war, Gottfried nicht hinrichten zu lassen, ob nicht auch andere NS -Größen in diesen Tagen zugunsten des Bismarck-Enkels intervenierten, muss offen bleiben. Auffällig ist, dass die Zeitungen den Namen Gottfrieds im Gegensatz zu seinen Mitverschwörern nicht nannten. Vielleicht war es Papen im Verein mit Gottfrieds Bruder Otto gelungen, das Verfahren hinauszuzögern, es über die kritischen Monate August und September 1944 hinauszubringen.
Carl Friedrich Goerdeler, als Chef einer Übergangsregierung nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler vorgesehen, schrieb am 8. November 1944 in seiner Gefängniszelle einen Brief an Jacob Wallenberg. Darin forderte er ihn auf, die schwedische Regierung zu Friedensinitiativen unter der Bedingung zu ermuntern, dass er und seine Weggefährten einschließlich Gottfried von Bismarcks begnadigt würden. 59 Sicher scheint jedoch, dass es wegen des Krieges nur ein aufgeschobenes Todesurteil für Gottfried war. Die Hinrichtung hätte ihm später gedroht. Alle Regimegegner in vergleichbarer Position und Nähe zu den Vorgängen des 20. Juli 1944 sind ermordet worden.
Somit setzte sich für Gottfried die Odyssee mit glückhaftem Ausgang fort. Am 12. Dezember 1944 wurde er von Flossenbürg in das Polizeigefängnis Drögen in der Nähe des Konzentrationslagers Ravensbrück verlegt. Dort behandelte eine Sonderkommission »Spezialfälle« wie den von Canaris. Dort sah Gottfried wenige Wochen später seine Frau wieder, die am 30. Januar 1945 die erste Sprecherlaubnis erhielt. In dieser Polizeistation hatten sich wenige Monate
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