Die Bismarcks
Verbindung mit dem 20. Juli 1944 verhaftet und in das Gestapo-Gefängnis in der Berliner Lehrter Straße eingeliefert. Er brachte dort schreckliche Monate zu. Im April 1945 kam er frei, als sich die Rote Armee dem Berliner Stadtzentrum näherte. Jessen verstarb Mitte der 1950er Jahre.
Opitz fertigte einen Bericht über die Verhöre von Hannah an, den er an Gestapo-Chef Müller weiterleitete. Dieser tobte nach der Lektüre des Dossiers: Hannah sei eine »Gesellschaftsspionin ersten Ranges«, sie müsse ins KZ , sie sei eine »Kraft, die man vernichten« müsse, schrie er. Besessen von der Idee, die prominenteste Bredow hinter Schloss und Riegel zu bringen, hatte er alle Dossiers studiert, die die Potsdamer Gestapo nach Denunziationen im Laufe der Jahre über Hannah und ihre Familie angefertigt hatte. Dabei hatte Müller entscheidende Passagen überlesen, in denen Sachverhalte und Behauptungen korrigiert worden waren. Diese dienten nun zur Entlastung und zur Gegenargumentation von Opitz. Die Situation für die Familie hatte sich schon im November 1944 leicht entspannt, weil Alexandra und Diana, zwei der drei Töchter von Hannah, am 16. November aus der Haft entlassen worden waren. Nun ging es darum, die hochgefährdete Philippa zu retten.
Anfang Dezember 1944 wurde es aber noch einmal sehr kritisch, als Opitz im Auftrag von Müller damit drohte, Hannah und Philippa ins KZ zu bringen, wenn es nicht zu einem Deal mit der Gestapo käme. Dieser sah vor, dass Bruder Albrecht im Gegenzug als Spitzel für die Gestapo in der Schweiz tätig werden solle, um Schwester und Nichte vor der Inhaftierung zu bewahren. Hannahs Reaktion war mutig und klar. Sie entgegnete Opitz: »Ihr seid schändliche Erpresser, ein Auswurf der Menschheit«, und prophezeite ihm und seinen Kollegen ein Ende mit Schrecken und voller Grauen. Mithilfe der immer noch vorhandenen internationalen Verbindungen der Familie gelang es in den Tagen danach, dafür zu sorgen, dass die beiden vorgesehenen Emissäre Marguerite und Alexandra keine Visa für die Schweiz erhielten, um ihren Onkel zu treffen. Müllers Plan war damit zunichte gemacht.
Am 5. Dezember 1944 durfte Hannah ihre Tochter Philippa nach schrecklichen Wochen und Monaten in Opitz’ Büro in Berlin-Steglitz bei einem Adventstee erstmals wiedersehen. Opitz besaß den Takt, entgegen den Vorschriften bei der Zusammenkunft den Raum zu verlassen. Er hatte Sympathien für Philippa. Der Tisch war mit Tannengrün und Lametta geschmückt, nebenan wurden Menschen verhört und gequält. Hannah notierte später: »Selten hat mich der Wahnsinn eines Regimes so angepackt wie an dem Tag.« Am 14. Dezember 1944, nur wenige Tage später, wurde Hannah aus der Charité nach Potsdam entlassen. Das Regime zeigte Beißhemmungen gegenüber den Bismarcks. Ihren 21. Geburtstag feierte Philippa in Anwesenheit von Mutter und Schwestern am 22. Dezember 1944 im Gefängnis.
Zum Jahresende 1944 hielt Hannah in ihrem Tagebuch geradezu hellseherisch fest: »Und die Prophezeiung für 1945: Die Russen fangen die Offensive Ende Januar an. Die Alliierten machen den rasendsten Luftkrieg. Hier geht alles drunter und drüber, der Volkssturm etc. wird geopfert, alles wird zugrundegehen, niemand wird Halt sagen und im Mai oder Juni sind die Russen in Berlin, die Westmächte ebenfalls.« Hannah fuhr fort: »Philippa kommt vor Ostern nicht frei, Herr Jessen nur, wenn die Russen in Berlin sind. Alles wird zerstört, und was aus Deutschland wird, wenn die Russen Oberwasser behalten, weiß Gott allein … My heart is broken.«
Der Bericht über die Verhöre ging an den Volksgerichtshof.Wochenlang schwebte die Familie nun in der Sorge, dass Philippa in letzter Minute hingerichtet werden würde. Aber Opitz hatte das Dossier so stumpf gemacht, dass es in dem im Untergang befindlichen NS -Justizapparat buchstäblich zerfledderte. Hannah tat ein Übriges, indem sie mit unentwegten Besuchen bei Huppenkothen und bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft für ihre Tochter kämpfte und ihre Freilassung forderte. Der Volksgerichtshof war mittlerweile nach Potsdam ausgelagert worden, was die Gänge für Hannah erleichterte. Endlich, am 31. März 1945, kam Philippa frei.
Ihrer Schwägerin Ann Mari, der Frau von Otto, gelang es unterdessen nicht, eine Ausreisegenehmigung zum Besuch ihrer Kinder in Schweden zu erhalten. Das Bismarck’sche Anwesen in Friedrichsruh, in Sichtweite des von alliierten Bomberflotten völlig zerstörten Hamburg,
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