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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Umstellung auf den Euro genutzt, um seine Stundensätze ohne Absprache anzuheben.
    »Ich nehme 75 Euro pro Stunde plus Spesen und Steuer«, sagte Dengler.
    »Das hört sich ja nicht schlecht an«, sagte der Mann und legte auf.
    * * *
    »Es geht um meine Frau«, sagte der Anrufer um halb drei.
    »Ich höre«, sagte Dengler.
    »Sie soll eine Anzeige aufgegeben haben.«
    Der Mann schwieg.
    »Bekanntschaftsanzeige?«, fragte Dengler.
    »Ja, so etwas soll sie gemacht haben.«
    »Aber Sie wissen es nicht genau?«
    »Nein.«
    »Und den Verdacht, woher nehmen Sie den Verdacht?«
    Der Mann sprach breites Schwäbisch, bemühte sich aber, Hochdeutsch zu sprechen.
    Er sagte: »Eine Freundin von ihrer Freundin, verstehen Sie, die brachte mir die Anzeige und sagte, dass die von meiner Frau
     stamme. Sie fände das nicht gut, dass verheiratete Frauen so etwas machen, und dass ihre Freundin die Post entgegennähme,
     die auf die Anzeige hin käme, fände sie auch nicht gut.«
    »Haben Sie Ihre Frau gefragt?«»Noi, wie stehe ich denn dann da, wenn das nicht stimmt – wie ein Dackel!«
    »Und ich soll rausfinden, ob das Ihre Frau war.«
    »Ja. Können Sie das denn?«
    »Klar«, sagte Dengler.
    »Und was tät das kosten?«
    »Ich nehme 75 Euro pro Stunde plus Spesen und Steuer«, sagte Dengler. Er fand diesen Satz mittlerweile sehr professionell. »Und wie viele
     Stunden täten Sie brauchen?«
    »Das weiß ich nicht im Vorhinein. Aber Sie müssen auf jeden Fall schon einmal vier Stunden anzahlen.«
    »Das tät gehen«, sagte der Mann.
    »Und 100 Euro für Spesen«, schob Dengler sofort nach.
    »Isch gut.«
    »Können Sie mir die Anzeige vorlesen?«
    »Lieber nicht; die ist ziemlich schlimm.«
    »Also gut, können wir uns heute noch treffen?«
    Der Mann versprach, in einer Stunde im Basta zu sein, die Anzeige und Fotos von seiner Frau wollte er mitbringen.
    Dengler legte auf.
    * * *
    »Hier, lesen Sie das«, der Mann schob ihm die ausgeschnittene, auf ein weißes DIN-A4-Blatt geklebte Annonce über den Tisch.
    Aus der Pinwand, dem Kleinanzeigenteil einer Beilage der Stuttgarter Zeitung, war eine Anzeige mit einem gelben Leuchtstift markiert.
    Vernachlässigte Hausfrau sucht neuen Liebhaber, am liebsten ebenfalls gebunden. Interessenten melden sich unter Chiffre A267478 oder unter [email protected]
    Habe ich mir schlimmer vorgestellt, dachte Dengler.
    Er sagte: »Liest sich eindeutig.«
    Der Mann, der ihm gegenübersaß, schwitzte. Er trug eine dunkelbraune Wildlederjacke, die einen enormen Bauch nicht verstecken
     konnte. Der Kopf des Mannes wirkte wuchtig, fast quadratisch, und seine Augen wirkten klein und lagen zurückgezogen in den
     Augenhöhlen. Er hat schmale Lippen, dachte Dengler und erinnerte sich daran, wie Hildegard ihm einst eine Lehrstunde über
     männliche erotische Ausstrahlung gegeben hatte. Männer mit dünnen Lippen, hatte sie gesagt, als sie in seiner Wiesbadener
     Wohnung vor dem Spiegel im Bad stand und ihre Lippen mit einem grellroten Stift nachzog, Männer mit dünnen Lippen wären schlecht
     im Bett, machtbewusst und unsinnlich.
    »Was möchten Sie trinken?«, fragte der kahlköpfige Ober. Dengler bestellte einen doppelten Espresso mit etwas Milch; der Mann
     wollte ein Pils.
    »Geht auf meine Rechnung«, sagte er.
    Er stellt sich als Anton Föll vor, vierundvierzig Jahre alt, arbeitete auf dem Bauamt der Stadt Esslingen und koordinierte
     dort den Fahrzeugpark und den Personaleinsatz. Seit seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr verheiratet, Susanne hieß seine Frau,
     drei schulpflichtige Kinder. Er lebte auf den Fildern in einem Einfamilienhaus, das er bis zu seiner Rente abzahlen würde.
    Der Mann rutschte unruhig hin und her. »Und können Sie sich vorstellen, dass Ihre Frau diese Anzeige aufgegeben hat – in diesem
     Ton, mit diesem Inhalt?«
    »Ich dachte, es wäre alles normal bei uns, auch mit dem Sex, meistens fängt sie an, mit dem Sex. Aber ich mache immer gerne
     mit. Es ist ja nicht so, dass ich dagegen bin.«
    Er beugte sich zu Dengler über den Tisch, und sein schweißnasses Gesicht war nur noch einen halben Meter von Dengler entfernt.
    »Sie ist sprunghaft«, fuhr er fort, »manchmal ist bei unsSendepause, einen Monat, zwei oder sogar noch länger, und dann ist sie wieder ganz aufgedreht.«
    »Reden Sie mit ihr?«
    »Darüber? Lieber nicht.«
    Dengler ließ sich Fotos geben und sah eine mittelgroße, dunkelhaarige Frau mit drei Kindern vor einem Affenkäfig in der Wilhelma
     in die Kamera

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