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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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und jene beiden Stöcke, die gerade im Gebrauch waren, vor dem Bett liegen und erlaubte nur einem dritten, abgenutzten und etwas faserigen Trommelstock, mit mir der Lina einen Besuch abzustatten.
    Nicht etwa, daß ich mich entkleidete, bevor ich bei Lina zu Bett ging. In Wolle, in Sammet und in Lederschuhen stieg ich ein und fand nach geraumer Zeit, trotz anstrengend einheizender Arbeit, in derselben, fast unverrückten Kleidung aus den verfilzten Federn heraus.
    Nachdem ich den Gemüsehändler mehrmals kurz nach dem Verlassen des Linabettes, noch mit den Ausdünstungen seiner Frau behaftet, besucht hatte, bürgerte sich ein Brauchtum ein, dem ich allzugerne nachkam. Noch während ich im Bett der Greffschen weilte und meine letzten Übungen praktizierte, betrat der Gemüsehändler das Schlafzimmer mit einer Schüssel voller warmem Wasser, stellte die auf ein Schemelchen, legte Handtuch und Seife dazu und verließ wortlos, ohne das Bett mit einem einzigen Blick zu belasten, den Raum.
    Oskar riß sich zumeist schnell von der ihm gebotenen Nestwärme los, fand zu der Waschschüssel und unterwarf sich und jenen im Bett wirkungsvollen ehemaligen Trommelstock einer gründlichen Reinigung; konnte ich doch verstehen, daß dem Greff der Geruch seiner Frau, selbst wenn der ihm aus zweiter Hand entgegenschlug, unerträglich war.
    So aber, frisch gewaschen, war ich dem Bastler willkommen. All seine Maschinen und ihre verschiedenen Geräusche führte er mir vor, und es wundert mich heute noch, daß es zwischen Oskar und Greff trotz dieser späten Vertraulichkeit zu keiner Freundschaft kam, daß mir Greff weiterhin fremd blieb und allenfalls meine Anteilnahme, aber nie meine Sympathie erweckte.
    Im September zweiundvierzig — ich hatte gerade sang-und klanglos meinen achtzehnten Geburtstag hinter mich gebracht, im Radio eroberte die sechste Armee Stalingrad — baute Greff die Trommelmaschine. In ein hölzernes Gerüst hängte er zwei ins Gleichgewicht gebrachte, mit Kartoffeln gefüllte Schalen, nahm sodann eine Kartoffel aus der linken Schale: die Waage schlug aus und löste eine "Sperre, die den auf dem Gerüst installierten Trommelmechanismus freigab: das wirbelte, bumste, knatterte, schnarrte, Becken schlugen zusammen, der Gong dröhnte, und alles zusammen fand ein endliches schepperndes, tragisch mißtönendes Finale.
    Mir gefiel die Maschine. Immer wieder ließ ich sie mir von Greff demonstrieren. Glaubte Oskar doch, der bastelnde Gemüsehändler habe sie seinetwegen, für ihn erfunden und erbaut. Bald darauf wurde mir allzu deutlich mein Irrtum offenbar. Greff hatte vielleicht von mir Anregungen erhalten, die Maschine jedoch war für ihn bestimmt; denn ihr Finale war auch sein Finale.
    Es war ein früher, reinlicher Oktobermorgen, wie ihn nur der Nordostwind frei vors Haus liefert.
    Zeitig hatte ich Mutter Truczinskis Wohnung verlassen, trat auf die Straße, als gerade Matzerath den Rolladen vor der Ladentür hochzog. Neben ihn stellte ich mich, als er die grüngestrichenen Latten hochklappern ließ, bekam zuerst eine Wolke Kolonialwarenladengeruch geboten, der sich während der Nacht im Inneren des Geschäftes angespeichert hatte, und nahm dann den Morgenkuß von Matzerath in Empfang. Noch bevor sich Maria sehen ließ, überquerte ich den Labesweg, warf gen Westen einen langen Schatten über das Kopfsteinpflaster; denn rechts, im Osten, über dem Max-Halbe-Platz, zog sich aus eigener Kraft die Sonne hoch und benutzte dabei denselben Trick, den auch der Baron Münchhausen angewandt haben muß, als er sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf lüpfte.
    Wer den Gemüsehändler Greff gleich mir gekannt hätte, wäre gleichfalls erstaunt gewesen, Schaufenster und Tür seines Ladens um jene Zeit noch verhängt und verschlossen zu finden. Zwar hatten die letzten Jahre den Greff zu einem mehr und mehr absonderlichen Greff gemacht. Dennoch hatte er sich bisher pünktlich an die Geschäftszeit zu halten gewußt. Womöglich ist er krank, dachte Oskar und verwarf sogleich wieder den Gedanken. Denn wie konnte Greff, der noch im letzten Winter, zwar nicht mehr so regelmäßig wie in früheren Jahren, der Ostsee Löcher ins Eis gehackt hatte, um ein Vollbad zu nehmen, wie sollte dieser Naturmensch, trotz einiger Alterserscheinungen, von einem Tag auf den anderen erkranken können. Das Vorrecht des Betthütens übte fleißig genug die Greffsche aus; auch wußte ich, daß Greff weiche Betten verachtete, daß er vorzugsweise auf Feldbetten und

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