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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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harten Pritschen schlief. Es konnte gar keine Krankheit geben, die den Gemüsehändler ans Bett hätte fesseln können.
    Ich stellte mich vor die verschlossene Gemüsehandlung, blickte zu unserem Geschäft zurück, bemerkte, daß sich Matzerath im Inneren des Ladens befand; dann erst wirbelte ich vorsichtig, auf das empfindliche Ohr der Greffschen hoffend, meiner Blechtrommel einige Takte ab. Es brauchte nur wenigen Lärm, und schon öffnete sich das zweite Fenster rechts neben der Ladentür. Die Greffsche im Nachthemd, den Kopf voller Lockenwickler, ein Kopfkissen vor der Brust haltend, zeigte sich über dem Kasten mit den Eisblumen. »Na komm doch rain, Oskarchen. Worauf warteste noch, wo's draußen so fresch is!«
    Erklärend schlug ich mit einem Trommelstock gegen den Blechladen vor dem Schaufenster.
    »Albrecht!« rief sie, »Albrecht, wo biste? Was is denn nu los?« Weiterhin ihren Gatten rufend, räumte sie das Fenster. Zimmertüren schlugen, im Laden hörte ich sie klappern, und gleich darauf begann sie mit ihrem Geschrei. Sie schrie im Keller, doch konnte ich nicht sehen, warum sie schrie, denn die Kellerluke, durch die an den Liefertagen, in den Kriegsjahren immer seltener, die Kartoffeln geschüttet wurden, war gleichfalls versperrt. Als ich ein Auge an die geteerten Bohlen vor der Luke preßte, sah ich, daß im Keller das elektrische Licht brannte. Auch das obere Stück der Kellertreppe, auf dem etwas Weißes lag, wahrscheinlich das Kopfkissen der Greffschen, konnte ich ausmachen.
    Sie mußte das Kissen auf der Treppe verloren haben, denn im Keller war sie nicht mehr, sondern schrie schon wieder im Laden und gleich darauf im Schlafzimmer. Den Telefonhörer hob sie ab, schrie und wählte, schrie dann ins Telefon; aber Oskar verstand nicht, worum es ging, nur Unfall schnappte er auf, und die Adresse, Labesweg 24, wiederholte sie mehrmals und schreiend, hängte dann ein und füllte gleich darauf in ihrem Nachthemd, ohne Kissen, doch mit den Lockenwicklern, schreiend das Fenster, goß sich und ihren ganzen, mir wohlbekannten doppelten Vorrat in den Kasten auf die Eisblumen, schlug beide Hände in die fleischigen, blaßroten Gewächse und schrie oben, daß die Straße eng wurde, daß Oskar schon dachte, jetzt fängt auch die Greffsche mit dem Glaszersingen an; aber es sprang keine Scheibe. Aufgerissen wurden die Fenster, Nachbarschaft zeigte sich, Frauen riefen sich Fragen zu, Männer stürzten, der Uhrmacher Laubschad, erst halb mit den Armen in seinem Jackenärmel, der alte Heilandt, Herr Reißberg, der Schneider Libischewski, Herr Esch aus den zunächst liegenden Haustüren, selbst Probst, nicht der Friseur, der von der Kohlenhandlung, kam mit seinem Sohn. Im weißen Ladenkittel wehte Matzerath heran, während Maria mit Kurtchen auf dem Arm in der Tür des Kolonialwarengeschäftes stehen blieb.
    Es fiel mir leicht, in der Versammlung aufgeregter Erwachsener unterzutauchen und Matzerath, der mich suchte, zu entgehen. Er und der Uhrmacher Laubschad, sie waren die ersten, die zur Tat schreiten wollten. Man versuchte, durch das Fenster in die Wohnung zu gelangen. Doch die Greffsche ließ niemand hoch, geschweige denn hinein. Während sie gleichzeitig kratzte, schlug und biß, fand sie dennoch Zeit, immer lauter, teilweise sogar verständlich zu schreien. Erst solle das Unfallkommando kommen, sie habe schon längst telefoniert, niemand brauche mehr zu telefonieren, sie wisse schon, was man zu tun habe, wenn so was passiere. Die sollen sich um ihren eigenen Laden kümmern. Das sei schon schlimm genug hier. Neugierde, nichts als Neugierde, da sehe man wieder mal, wo einem die Freunde bleiben, wenn des Unglück komme. Und mitten in ihrem Lamento mußte sie mich in der Versammlung vor ihrem Fenster entdeckt haben, denn sie rief mich und streckte mir, da sie die Männer inzwischen abgeschüttelt hatte, die bloßen Arme entgegen, und jemand — Oskar glaubt heute noch, daß es der Uhrmacher Laubschad war -der hob mich, wollte mich gegen Matzeraths Willen hineinreichen, und kurz vor dem Eisblumenkasten hätte Matzerath mich auch beinahe erwischt, doch da packte Lina Greff schon zu, drückte mich gegen ihr warmes Hemd und schrie jetzt nicht mehr, weinte nur noch hoch wimmernd, holte hoch wimmernd Luft.
    Im gleichen Maße wie das Geschrei der Frau Greif die Nachbarschaft zum erregten und schamlosen Gestikulieren aufgepeitscht hatte, vermochte ihr dünnes, hohes Wimmern den Andrang unter den Eisblumen zu einer stummen,

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