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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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verlegen scharrenden Masse zu machen, die kaum noch wagte, dem Weinen ins Gesicht zu sehen, die all ihr Hoffen, all ihre Neugierde und Anteilnahme dem zu erwartenden Unfallwagen entgegenbrachte.
    Auch Oskar war das Winseln der Greffschen nicht angenehm. Ich versuchte, etwas tiefer zu rutschen, um ihren leidvollen Tönen nicht gar so nah sein zu müssen. Es gelang mir auch, den Halt an ihrem Hals aufzugeben, mich halb auf den Blumenkasten zu setzen. Allzusehr fühlte Oskar sich beobachtet, weil Maria mit dem Jungen auf dem Arm in der Ladentür stand. So gab ich auch diesen Sitz auf, begriff die Peinlichkeit meiner Lage, dachte dabei aber nur an Maria — die Nachbarn waren mir gleichgültig — stieß mich ab von der Greffschen Küste, die mir allzusehr zitterte und das Bett bedeutete.
    Lina Greff bemerkte meine Flucht nicht, oder sie fand keine Kraft mehr, jenen kleinen Körper aufzuhalten, der ihr die längste Zeit lang fleißig Ersatz geboten hatte. Vielleicht ahnte Lina auch, daß Oskar ihr für immer entglitt, daß mit ihrem Geschrei ein Geräusch zur Welt gekommen war, das einerseits zur Mauer und Geräuschkulisse zwischen der Bettlägerigen und dem Trommler wurde, andererseits eine bestehende Mauer zwischen Maria und mir zum Einsturz brachte.
    Ich stand im Schlafzimmer der Greffs. Meine Trommel hing mir schief und unsicher an. Oskar kannte das Zimmer ja, hätte die saftgrüne Tapete der Länge und Breite nach auswendig hersagen können. Da stand auf dem Schemel noch die Waschschüssel mit der grauen Seifenlauge vom Vortage. Alles hatte seinen Platz, und dennoch wollten mir die abgegriffenen, abgesessenen, durchgelegenen und angestoßenen Möbel frisch oder zumindest aufgefrischt vorkommen, als hätte alles, was da steif auf vier Füßen oder Beinen an den Wänden stand, erst das Geschrei und danach das hohe Wimmern der Lina Greff nötig gehabt, um zu neuem, erschreckend kaltem Glanz zu kommen.
    Die Tür zum Laden stand offen. Oskar wollte nicht, ließ sich aber dennoch in jenen nach trockener Erde und Zwiebeln riechenden Raum ziehen, den das Tageslicht, das durch Ritzen in den Fensterläden fand, mit staubwimmelnden Streifen aufteilte. So blieben die meisten Lärm-und Musikmaschinen Greffs im Halbdunkel, nur auf einige Details, auf ein Glöckchen, auf Sperrholzstreben, auf den Unterteil der Trommelmaschine deutete das Licht und zeigte mir die im Gleichgewicht verharrenden Kartoffeln.
    Jene Falltür, die genau wie in unserem Geschäft hinter dem Ladentisch den Keller abdeckte, stand offen. Nichts stützte den Bohlendeckel, den die Greffsche in ihrer schreienden Hast aufgerissen haben mochte; doch den Haken hatte sie nicht in die Falle am Ladentisch einschnappen lassen. Mit leichtem Stoß hätte Oskar den Deckel zum Kippen bringen, den Keller verschließen können.
    Reglos stand ich halb hinter den Staub-und Modergeruch ausatmenden Bohlen, starrte auf jenes grellerleuchtete Geviert, welches einen Teil der Treppe und ein Stück betonierten Kellerboden einrahmte. In dieses Quadrat schob sich von oben rechts der Teil eines stufenbildenden Podestes, das eine neue Anschaffung Greffs sein mußte, denn ich hatte den Kasten bei gelegentlichen Besuchen des Kellers zuvor nie gesehen. Nun hätte Oskar eines Podestes wegen den Blick nicht so lange und so gebannt in den Keller geschickt, wenn sich nicht aus der oberen rechten Ecke des Bildes merkwürdig verkürzt zwei gefüllte Wollstrümpfe in schwarzen Schnürschuhen geschoben hätten. Wenn ich auch nicht die Sohlen der Schuhe einsehen konnte, erkannte ich sie dennoch sofort als Greffs Wanderschuhe. Das kann nicht Greff sein, dachte ich mir, der dort fertig zum Wandern im Keller steht, denn die Schuhe stehen nicht, schweben vielmehr frei über dem Podest; es sei denn, daß es den steil nach unten geneigten Schuhspitzen gelingt, die Bretter kaum, aber doch zu berühren. So stellte ich mir eine Sekunde lang einen auf Schuhspitzen stehenden Greff vor; denn diese komische, aber auch anstrengende Übung war ihm, dem Turner und Naturmenschen zuzutrauen.
    Um mich von der Richtigkeit meiner Annahme zu überzeugen, auch um den Gemüsehändler gegebenenfalls gehörig auszulachen, kletterte ich, auf den steilen Stufen alle Vorsicht bewahrend, die Treppe hinunter und trommelte, wenn ich mich recht erinnere, angstmachendes, angstvertreibendes Zeug dabei: »Ist die Schwarze Köchin da? Jajaja!«
    Erst als Oskar fest auf dem Betonboden stand, ließ er den Blick auf Umwegen, über Bündel

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