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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Ding ruhig in der geschlossenen Hand zu halten.
    Er aber wollte es loswerden und fand trotz seiner oft erprobten Phantasie als Koch und Dekorateur des Kolonialwarenladenschaufensters kein anderes Versteck als seine Mundhöhle.
    Wie wichtig solch eine kurze Handbewegung sein kann! Von der Hand in den Mund, das reichte aus, die beiden Iwans, die links und rechts friedlich neben Maria gesessen hatten, zu erschrecken und von dem Luftschutzbett aufzujagen. Mit Maschinenpistolen standen sie vor Matzeraths Bauch, und jedermann konnte sehen, daß Matzerath versuchte, etwas zu verschlucken.
    Hätte er doch zuvor wenigstens mit drei Fingern die Nadel des Parteiabzeichens geschlossen. Nun würgte er an dem sperrigen Bonbon, lief rot an, bekam dicke Augen, hustete, weinte, lachte und konnte bei all den gleichzeitigen Gemütsbewegungen die Hände nicht mehr oben behalten. Das jedoch duldeten die Iwans nicht. Sie schrien und wollten wieder seine Handteller sehen. Aber Matzerath hatte sich vollkommen auf seine Atmungsorgane eingestellt. Selbst husten konnte er nicht mehr richtig, geriet aber ins Tanzen und Armeschleudern, fegte einige Weißblechdosen voller Leipziger Allerlei vom Regal und bewirkte, daß mein Kalmücke, der bisher ruhig und leichtgeschlitzt zugesehen hatte, mich behutsam absetzte, hinter sich langte, etwas in die Waagerechte brachte und aus der Hüfte heraus schoß, ein ganzes Magazin leerschoß, schoß, bevor Matzerath ersticken konnte.
    Was man nicht alles tut, wenn das Schicksal seinen Auftritt hat! Während mein mutmaßlicher Vater die Partei verschluckte und starb, zerdrückte ich, ohne es zu merken oder zu wollen, zwischen den Fingern eine Laus, die ich dem Kalmücken kurz zuvor abgefangen hatte. Matzerath hatte sich quer über die Ameisenstraße fallen lassen. Die Iwans verließen den Keller über die Treppe zum Laden und nahmen einige Päckchen Kunsthonig mit. Mein Kalmücke ging als letzter,griff aber keinen Kunsthonig, weil er ein neues Magazin in seine Maschinenpistole stecken mußte. Die Witwe Greff hing offen und verdreht zwischen Margarinekisten. Maria hielt das Kurtchen an sich, als wollte sie es erdrücken. Mir ging ein Satzgebilde durch den Kopf, das ich bei Goethe gelesen hatte. Die Ameisen fanden eine veränderte Situation vor, scheuten aber den Umweg nicht, bauten ihre Heerstraße um den gekrümmten Matzerath herum; denn jener aus dem geplatzten Sack rieselnde Zucker hatte während der Besetzung der Stadt Danzig durch die Armee Marschall Rokossowskis nichts von seiner Süße verloren.
    SOLL ICH ODER SOLL ICH NICHT
    Zuerst kamen die Rugier, dann kamen die Goten und Gepiden, sodann die Kaschuben, von denen Oskar in direkter Linie abstammt.Bald darauf schickten die Polen den Adalbert von Prag. Der kam mit dem Kreuz und wurde von Kaschuben oder Pruzzen mit der Axt erschlagen. Das geschah in einem Fischerdorf, und das Dorf hieß Gyddanyzc. Aus Gyddanyzc machte man Danczik, aus Danczik wurde Dantzig, das sich später Danzig schrieb, und heute heißt Danzig Gdansk.
    Bis man jedoch zu dieser Schreibart gefunden hatte, kamen nach den Kaschuben die Herzöge von Pommerellen nach Gyddanyzc. Die hatten Namen wie: Subislaus, Sambor, Mestwin und Swantopolk.
    Aus dem Dorf wurde ein Städtchen. Dann kamen die wilden Pruzzen und zerstörten die Stadt ein bißchen. Dann kamen die Brandenburger von weit her und zerstörten gleichfalls ein bißchen. Auch Boles aw von Polen wollte ein bißchen zerstören, und der Ritterorden sorgte gleichfalls dafür, daß die kaum ausgebesserten Schäden unter den Ritterschwertern wieder deutlich wurden.
    Ein zerstörerisches und wiederaufbauendes Spielchen treibend wechselten sich jetzt mehrere Jahrhunderte lang die Herzöge von Pommerellen, die Hochmeister des Ritterordens, die Könige und Gegenkönige von Polen, Grafen von Brandenburg und die Bischöfe von W oc awek ab. Baumeister und Abbruchunternehmer hießen: Otto und Waldemar, Bogussa, Heinrich von Plotzke — und Dietrich von Altenberg, der die Ritterburg dorthin baute, wo man im zwanzigsten Jahrhundert, am Heveliusplatz die Polnische Post verteidigte.
    Es kamen die Hussiten, machten hier und da ein Feuerchen und zogen wieder ab. Dann warf man die Ordensritter aus der Stadt, brach die Burg ab, weil man in der Stadt keine Burg haben wollte. Man wurde polnisch und fuhr nicht schlecht dabei. Der König, der das erreichte, hieß Kazimierz, wurde der Große genannt und war der Sohn des ersten W adys aw. Dann kam Ludwig und nach

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