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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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und Lemberg und suchten sich Wohnungen.
    Zu uns kam ein Herr, der sich Fajngold nannte, alleinstehend war, doch immer so tat, als umgäbe ihn eine vielköpfige Familie, welcher er Anweisungen zu geben hätte. Herr Fajngold übernahm sofort das Kolonialwarengeschäft, zeigte seiner Frau Luba, die aber weiterhin unsichtbar blieb und auch keine Antworten gab, die Dezimalwaage, den Petroleumtank, die Wurststange aus Messing, die leere Kasse und hocherfreut die Vorräte im Keller. Maria, die er sofort als Verkäuferin eingestellt und seiner imaginären Frau Luba wortreich präsentiert hatte, zeigte dem Herrn Fajngold unseren Matzerath, der schon seit drei Tagen unter einer Zeltplane im Keller lag, weil wir ihn der vielen Russen wegen, die auf den Straßen überall Fahrräder, Nähmaschinen und Frauen ausprobierten, nicht beerdigen konnten.
    Als Herr Fajngold die Leiche sah, die wir auf den Rücken gedreht hatten, schlug er die Hände auf ähnliche Art ausdrucksvoll über dem Kopf zusammen, wie Oskar es vor Jahren bei seinem Spielzeughändler Sigismund Markus beobachtet hatte. Seine ganze Familie, nicht nur die Frau Luba, rief er in den Keller, und sicherlich sah er alle kommen, denn er nannte sie beim Namen, sagte Luba, Lew, Jakub, Berek, Leon, Mendel und Zonja, erklärte den Genannten, wer da liege und tot sei, und erklärte gleich darauf uns, daß alle, die er soeben gerufen habe, auch so dalagen, bevor sie in die Öfen von Treblinka kamen, dazu noch seine Schwägerin und der Schwägerin Schwestermann, der fünf Kinderchen hatte, und alle lagen, nur er, der Herr Fajngold, lag nicht, weil er Chlor streuen mußte.
    Dann half er uns, den Matzerath die Treppe hoch in den Laden tragen, hatte aber schon wieder seine Familie um sich, bat seine Frau Luba, doch der Maria beim Waschen der Leiche zu helfen. Die half aber nicht, was dem Herrn Fajngold weiter nicht auffiel, weil er die Vorräte aus dem Keller in den Laden schaffte. Auch ging uns die Greffsche, die ja Mutter Truczinski gewaschen hatte, diesmal nicht zur Hand, denn die hatte die Wohnung voller Russen; man hörte sie singen.
    Der alte Heilandt, der schon während der ersten Besatzungstage als Schuhmacher Arbeit fand und Russenstiefel besohlte, die während des Vormarsches durchgelaufen worden waren, wollte sich zuerst nicht als Sargschreiner betätigen. Doch als Herr Fajngold mit ihm ins Geschäft kam und für einen Elektromotor aus dem Schuppen des alten Heilandt Derbyzigaretten aus unserem Geschäft anbot, legte er die Stiefel zur Seite, nahm anderes Werkzeug und seine letzten Kistenbretter.
    Wir wohnten damals, bevor wir auch dort ausgewiesen wurden und Herr Fajngold uns den Keller überließ, in Mutter Truczinskis von Nachbarn und zugereisten Polen völlig ausgeräumter Wohnung.
    Der alte Heilandt nahm die Tür von der Küche zum Wohnzimmer aus den Angeln, da die Tür vom Wohnzimmer zum Schlafzimmer für Mutter Truczinskis Sarg hergehalten hatte. Unten, auf dem Hof rauchte er Derbyzigaretten und zimmerte die Kiste zusammen. Wir blieben oben, und ich nahm mir den einzigen Stuhl, den man der Wohnung gelassen hatte, stieß die zerscherbten Fenster auf und ärgerte mich über den Alten, der die Kiste ohne jede Sorgfalt und ohne die vorschriftsmäßige Verjüngung zusammenkloppte.
    Oskar sah Matzerath nicht mehr, denn als man die Kiste auf den Tafelwagen der Witwe Greff hob, waren Vitellos Margarinekistendeckel schon draufgenagelt, obgleich Matzerath zu Lebzeiten Margarine nicht nur nicht gegessen, sondern auch für Kochzwecke verabscheut hatte.
    Maria bat den Herrn Fajngold um seine Begleitung, da sie die russischen Soldaten auf den Straßen fürchtete. Fajngold, der auf dem Ladentisch mit untergeschlagenen Beinen hockte und Kunsthonig aus einem Pappbecher löffelte, äußerte zuerst Bedenken, fürchtete das Mißtrauen seiner Frau Luba, erhielt dann wohl von seiner Gattin die Erlaubnis zum Mitgehen, denn er rutschte vom Ladentisch, gab mir den Kunsthonig, ich gab ihn an Kurtchen weiter, der das Zeug auch restlos vertilgte, während Herr Fajngold sich von Maria in einen langen schwarzen Mantel mit grauem Kaninchenfell helfen ließ.
    Bevor er den Laden abschloß und seine Frau bat, niemandem zu öffnen, stellte er sich unter einen ihm zu kleinen Zylinderhut, den vormals Matzerath bei diversen Begräbnissen und Hochzeiten getragen hatte.
    Der alte Heilandt weigerte sich, den Tafelwagen bis zu den Städtischen Friedhöfen zu ziehen. Er habe noch Stiefel zu besohlen, sagte

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