Die Blechtrommel
Direktor, Professor Reuser, unterschrieben war. Ich sagte zu all seinen Ermahnungen ja und amen, prägte mir ein, daß die Küche links neben meinem Zimmer lag, versprach ihm, die Wäsche draußen waschen zu lassen, da er des Dampfes wegen um die Badezimmertapete fürchtete, konnte das mit einiger Gewißheit versprechen; denn Maria hatte sich bereit erklärt, meine Wäsche zu waschen.
Nun hätte ich gehen, mein Gepäck holen, die Umzugsformulare ausfüllen sollen. Das jedoch tat Oskar nicht. Der konnte sich nicht von der Wohnung trennen. Ohne jeden Grund bat er seinen zukünftigen Vermieter, ihm die Toilette zu weisen. Mit dem Daumen wies der auf eine an Kriegsjahre und unmittelbar darauf folgende Nachkriegsjahre erinnernde Sperrholztür. Als Oskar Anstalten machte, die Toilette sogleich, zu benutzen, knipste ihm Zeidler, dem die Seife im Gesicht bröckelte und juckte, das Licht jenes Örtchens an.
Drinnen ärgerte ich mich, weil Oskar gar kein Bedürfnis verspürte. Wartete aber doch hartnäckig, bis ich etwas Wasser lassen konnte, mußte mir bei dem geringen Blasendruck Mühe geben — auch weil ich der hölzernen Brille zu nahe war — Brille und Fliesenboden des engen Ortes nicht zu nässen.
Mein Taschentuch beseitigte Spuren auf dem abgesessenen-Holz, Oskars Schuhsohlen mußten einige unglückliche Tropfen auf den Fliesen verreiben.
Trotz der unangenehm verhärteten Seife im Gesicht hatte Zeidler während meiner Abwesenheit nicht den Rasierspiegel und warmes Wasser gesucht. Er wartete auf dem Korridor, hatte wohl den Narren an mir gefressen. »Sie sind mir so einer. Haben nich mal den Mietvertrag unterschrieben und schon gehn Se aufs Klo!«
Mit kaltem, verkrustetem Rasierpinsel näherte er sich mir, plante sicher auch einen blöden Scherz, öffnete dann doch, ohne mich zu belästigen, die Wohnungstür. Während Oskar sich rückwärts, am Igel vorbei und den Igel teilweise im Auge behaltend, ins Treppenhaus drückte, merkte ich mir, daß die Toilettentür zwischen der Küchentür und jener Milchglastür abschloß, hinter welcher dann und wann, also unregelmäßig eine Krankenschwester ihr Nachtlager hatte.
Als Oskar am späten Nachmittag mit seinem Gepäck, an dem das Geschenk des Madonnenmalers Raskolnikoff, die neue Blechtrommel, hing, abermals bei Zeidler klingelte und die Ummeldeformulare schwenkte, führte mich der frischrasierte Igel, der sich inzwischen wohl auch die Füße gewaschen hatte, ins Zeidlersche Wohnzimmer.
Da roch es nach kaltem Zigarrenrauch. Nach mehrmals angezündeten Zigarren roch es. Dazu kamen die Ausdünstungen mehrerer gestapelter, in den Ecken des Zimmers gerollter, womöglich kostbarer Teppiche. Auch roch es nach alten Kalendern. Sah aber keine Kalender; das waren die Teppiche, die so rochen. Merkwürdigerweise hatten die bequemen, lederbezogenen Sitzmöbel keinen Geruch an sich. Das enttäuschte mich, denn Oskar, der noch nie in einem Ledersessel gesessen hatte, besaß dennoch eine so reale Vorstellung riechenden Sitzleders, daß er die Zeidlerschen Sessel-und Stuhlbezüge verdächtigte und als Kunstleder ansah.In einem dieser glatten, geruchlosen und, wie sich später herausstellte, echtledernen Sessel saß Frau Zeidler. Sie trug ein sportlich zugeschnittenes, schlecht und recht sitzendes graues Kostüm. Den Rock hatte sie über die Knie rutschen lassen und zeigte dreifingerbreit Unterwäsche. Da sie ihre verrutschte Kleidung nicht korrigierte und — wie Oskar zu bemerken glaubte — verweinte Augen hatte, wagte ich nicht, ein mich vorstellendes, sie begrüßendes Gespräch zu beginnen. Meine Verbeugung blieb wortlos und wandte sich im letzten Stadium schon wieder Zeidler zu, der mir seine Frau mit einer Daumenbewegung und kurzem Räuspern vorgestellt hatte.
Groß und quadratisch maß sich das Zimmer. Die vor dem Haus stehende Kastanie verdunkelte, vergrößerte und verkleinerte den Raum. Koffer und Trommel ließ ich nahe der Tür stehen, näherte mich mit den Anmeldeformularen Zeidler, der zwischen den Fenstern stand. Oskar hörte seinen Schritt nicht, denn er ging — wie ich später nachzählen konnte — auf vier Teppichen, die in immer kleineren Formaten übereinander lagen und mit ihren ungleich farbigen gefransten oder ungefransten Rändern eine bunte Treppe bildeten, deren unterste Stufe rötlichbraun nahe den Wänden ansetzte, mit der nächsten, etwa grünen Stufe zumeist unter Möbeln, wie dem schweren Büfett, der Vitrine voller Likörgläser, die dutzendweis
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