Die Blechtrommel
beruhigen, vertrösten: »Satan kommt gleich, Satan ist gleich soweit«, murmelte ich übertrieben satanisch und hielt gleichzeitig Zwiesprache mit jenem Satan, der seit meiner Taufe in mir wohnte — und immer noch dort haust — schnauzte den an: Sei kein Spielverderber, Satan! Bettelte: Ich bitt' dich, erspar mir die Blamage! Schmeichelte ihm: Du bist doch sonst nicht so, denk mal zurück, an Maria, oder noch besser, an die Witwe Greff oder an die Scherze, die wir beide mit der zierlichen Roswitha im heiteren Paris trieben? Er aber gab mir mürrisch und ohne Angst vor Wiederholungen zur Antwort: Hab keine Lust, Oskar. Wenn Satan keine Lust hat, siegt die Tugend. Schließlich wird wohl auch Satan einmal keine Lust haben dürfen.
So versagte er mir seine Unterstützung, gab diese und ähnliche Kalendersprüche von sich, während ich langsam erlahmend die Kokosfasermatte in Bewegung hielt, der armen Schwester Dorothea die Haut marterte und aufrieb, schließlich ihrem durstigen »Komm Satan, oh komm doch!« mit einem verzweifelten und sinnlosen, weil durch nichts motivierten Ansturm unterhalb der Kokosfasern begegnete: mit ungeladener Pistole versuchte ich ins Schwarze zu treffen. Sie wollte ihrem Satan wohl behilflich sein, riß beide Hände unter der Kokosmatte hervor, wollte mich umschlingen, umschlang mich auch, fand meinen Buckel, meine menschlich warme, gar nicht ko-kosfaserige Haut, vermißte den Satan, nach dem sie verlangte, lallte auch nicht mehr »Komm Satan, komm!« räusperte sich vielmehr und stellte in anderer Stimmlage die anfängliche Frage: »Um Himmels willen, wer sind Sie, was wollen Sie?« Da mußte ich klein beigeben, zugeben, daß ich den amtlichen Papieren nach Oskar Matzerath heiße, daß ich ihr Nachbar sei und sie, die Schwester Dorothea heiß und innig liebe.
Wenn nun ein Schadenfroher meint, die Schwester Dorothea habe mich mit einem Fluch und Fausthieb von sich auf den Kokosläufer geschleudert, darf Oskar, wenn auch mit Wehmut, so doch mit leiser Genugtuung berichten, daß die Schwester Dorothea ihre Hände und Arme nur langsam, möchte sagen, nachdenklich, zögernd von meinem Buckel löste, was einem unendlich traurigen Streicheln glich.
Und auch ihr sogleich anhebendes Weinen und Schluchzen kam mir ohne Heftigkeit zu Gehör. Kaum merkte ich, daß sie sich unter mir und der Kokosmatte wegschob, mir entglitt, mich entgleiten ließ, auch ihren Schritt saugte der Bodenbelag des Korridors auf. Eine Tür hörte ich gehen, ein Schlüssel wurde gedreht, und gleich darauf bekamen die sechs Milchglasquadrate vor der Kammer der Schwester Dorothea von innen her Licht und Wirklichkeit.
Oskar lag und deckte sich mit der Matte zu, die noch einige Wärme des satanischen Spieles bewahrte.
Meine Augen gehörten den erleuchteten Vierecken an. Dann und wann glitt ein Schatten über das milchige Glas. Jetzt geht sie zum Kleiderschrank, sagte ich mir, jetzt zur Kommode. Einen hündischen Versuch unternahm Oskar. Ich kroch mit meiner Matte über den Läufer zur Tür, kratzte am Holz, richtete mich etwas auf, ließ eine suchende, bittende Hand über die beiden unteren Scheiben wandern; doch Schwester Dorothea schloß nicht auf, war unermüdlich zwischen dem Schrank und der Kommode mit Spiegel. Ich wußte es und gestand es mir nicht ein: Schwester Dorothea packte, floh, floh vor mir.
Selbst die leichte Hoffnung, sie werde mir beim Verlassen ihrer Kammer ihr elektrisch beleuchtetes Gesicht zeigen, mußte ich begraben. Zuerst wurde es hinter dem Milchglas dunkel, dann hörte ich den Schlüssel, die Tür ging, Schuhe auf dem Kokosläufer — ich griff nach ihr, stieß gegen einen Koffer, gegen ihr Strumpfbein; da traf sie mich mit einem jener derben Wanderschuhe, die ich in ihrem Kleiderschrank gesehen hatte, gegen die Brust, warf mich auf den Läufer, und als Oskar sich noch einmal aufraffte, »Schwester Dorothea« bettelte, da fiel die Wohnungstür schon ins Schloß: eine Frau hatte mich verlassen.
Sie und alle, die mein Leid verstehen, werden jetzt sagen: Geh zu Bett, Oskar. Was suchst du nach dieser beschämenden Geschichte noch auf dem Korridor. Es ist vier Uhr früh. Nackt liegst du auf einem Kokosläufer, deckst dich notdürftig mit einer faserigen Matte. Hände und Knie hast du dir aufgescheuert. Dein Herz blutet, dein Geschlecht schmerzt dich, deine Schande schreit zum Himmel.
Du hast den Herrn Zeidler geweckt. Der hat seine Frau geweckt. Sie werden kommen, die Tür ihres Wohn-und Schlafzimmers
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