Die Blechtrommel
Nägel mit den breiten Köpfen, standen bis zum Hals in den Dielen und hielten die Köpfe knapp über den flutenden, wild bewegten, Strudel bildenden Kokosfasern. Selbstgefällig schritten wir im Korridor, die Länge des Teppichs genießend, auf und ab, lobten unsere Arbeit, wiesen darauf hin, daß es nicht leicht sei, nüchtern, ganz ohne Frühstück einen Kokosläufer zu legen und zu vernageln, und erreichten schließlich, daß Frau Zeidler sich auf den neuen, möchte sagen, jungfräulichen Kokosläufer wagte, über ihn zur Küche fand, uns Kaffee aufschüttete und Spiegeleier in die Pfanne schlug. Wir aßen in meinem Zimmer, die Zeidlersche trollte sich davon, denn sie mußte zu Mannesmann ins Büro, die Zimmertür ließen wir offen, betrachteten kauend, leicht erschöpft unser Werk, den uns entgegenströmenden Kokosläufer.
Warum soviele Worte über einen billigen Teppich, der allenfalls vor der Währungsreform einigen Tauschwert besessen hatte? Oskar hört diese berechtigte Frage, beantwortet sie vorgreifend und sagt: Auf diesem Kokosläufer begegnete ich während der folgenden Nacht erstmals der Schwester Dorothea.
Spät, gegen Mitternacht kam ich voller Bier und Blutwurst nach Hause. Klepp hatte ich in der Altstadt zurückgelassen. Er suchte den Guitarristen. Ich fand zwar das Schlüsselloch zur Zeidlerschen Wohnung, fand auf den Kokosläufer im Korridor, fand am dunklen Milchglas vorbei, fand in mein Zimmer, in mein Bett, fand zuvor aus den Kleidern, fand aber meinen Schlafanzug nicht — der war bei Maria in der Wäsche — fand dafür jenes funfundsiebenzig Zentimeter lange Stück Kokosläufer, das wir dem zu langen Teppich abgeschnitten hatten, legte mir das Stück als Bettvorleger vors Bett, fand ins Bett, fand aber keinen Schlaf.
Es besteht kein Anlaß, Ihnen nun zu erzählen, was Oskar alles dachte oder gedankenlos im Kopf bewegte, weil er keinen Schlaf fand. Heute glaube ich, den Grund meiner damaligen Schlaflosigkeit gefunden zu haben. Bevor ich ins Bett stieg, stand ich mit nackten Füßen auf meinem neuen Bettvorleger, dem Abschnitt des Kokosläufers. Die Kokosfasern teilten sich meinen bloßen Füßen mit, die drangen mir durch die Haut ins Blut: selbst als ich schon lange lag, stand ich noch immer auf Kokosfasern, fand deshalb keinen Schlummer; denn nichts ist erregender, schlafvertreibender und gedankenfördernder als das barfüßige Stehen auf einer Kokosfasermatte.
Oskar stand und lag lange nach Mitternacht, gegen drei Uhr in der Frühe, immer noch schlaflos auf der Matte und im Bett gleichzeitig, da hörte er auf dem Korridor eine Tür und noch einmal eine Tür.
Es wird Klepp sein, der ohne Guitarristen, doch blutwurstgefüllt nach Hause kommt, dachte ich, wußte aber, daß es nicht Klepp war, der da zuerst eine Tür, dann eine weitere Tür bewegte. Weiterhin dachte ich, wenn du schon vergeblich im Bett liegst und dabei Kokosfasern an den Fußsohlen spürst, tust du gut, dieses Bett zu verlassen, und stellst dich regelrecht, und nicht nur von der Einbildung her, auf die Kokosfasermatte vor deinem Bett. Das tat Oskar. Das hatte Folgen. Kaum stand ich auf der Matte, da erinnerte mich das fünfundsiebenzig Zentimeter lange Reststück durch die Fußsohlen hindurch an seine Herkunft, an den sieben Meter und dreiundvierzig Zentimeter langen Kokosläufer im Korridor.
Sei es, weil ich Mitleid mit dem abgetrennten Stück Kokosfaser hatte, sei es, weil ich die Türen auf dem Korridor gehört hatte, Klepps Heimkehr vermutete, aber nicht meinte; Oskar bückte sich, nahm, da er beim Zubettgehen seinen Schlafanzug nicht gefunden hatte, zwei Ecken des Kokosfaserbettvorlegers in beide Hände, spreizte die Beine, bis er nicht mehr auf den Fasern stand, sondern auf den Dielen, zog die Matte zwischen den Beinen hervor und hoch, hielt sich die fünfundsiebenzig Zentimeter vor seinen bloßen einen Meter und einundzwanzig Zentimeter messenden Körper, verdeckte also seine Blöße schicklich, war aber nun vom Schlüsselbein bis zu den Knien den Einflüssen der Kokosfaser ausgesetzt. Das steigerte sich noch, als Oskar hinter seinem faserigen Gewand aus seinem dunklen Zimmer auf den dunklen Korridor und mithin auf den Kokosläufer geriet.
Was Wunder, wenn ich bei so faserigem Zuspruch des Läufers eilige Schrittchen machte, dem Einfluß unter mir entgehen, mich retten wollte und dorthin strebte, wo es keine Kokosfaser als Bodenbelag gab — auf die Toilette.
Die aber war dunkel wie der Korridor und Oskars
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