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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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auf dem Südfriedhof nicht mehr Sperlinge zählte, als er vor Jahren gezählt hatte, da er noch Steinmetz und Schrifthauer zwischen den Grabsteinen gewesen war. Dafür sah ich, der ich mit geliehenem Zylinder zwischen dem Trauergefolge hinter dem Sarg herging, auf Feld neun den Steinmetz Korneff, der dort mit einem mir unbekannten Gehilfen eine Diabaswand für ein zweistelliges Grab versetzte. Als der Sarg mit dem Wirt Schmuh an dem Steinmetz vorbei und aufs neuangelegte Feld zehn getragen wurde, zog der nach Friedhofsvorschrift die Mütze, erkannte mich, womöglich des Zylinders wegen, nicht, rieb sich aber seinen Nacken, was auf reifende oder überreife Furunkel schließen ließ.
    Begräbnisse! Ich habe Sie schon auf soviele Friedhöfe führen müssen, sage auch an irgendeiner Stelle: Begräbnisse erinnern immer an andere Begräbnisse — will deshalb nicht über Schmuhs Begräbnis und Oskars rückwärts gerichtete Gedanken während des Begräbnisses berichten — Schmuh kam ordentlich, ohne daß sich Außergewöhnliches ereignete, unter die Erde — verschweige Ihnen aber nicht, daß mich nach dem Begräbnis — man gab sich zwanglos, da die Witwe im Krankenhaus lag — ein Herr ansprach, der sich Dr. Dösch nannte.
    Dr. Dösch leitete eine Konzertagentur. Die Konzertagentur gehörte ihm aber nicht. Außerdem stellte sich Dr. Dösch als ehemaliger Gast des Zwiebelkellers vor. Ich hatte ihn nie bemerkt. Er jedoch war anwesend gewesen, als ich Schmuhs Gäste zu lallenden, glückseligen Kleinkindern gemacht hatte. Ja, Dösch selber hatte, wie er mir vertraulich berichtete, unterm Einfluß meiner Blechtrommel zur seligen Kindheit zurückgefunden und wollte nun mich und meinen — wie er es nannte — »dollen Trick« ganz groß herausbringen. Er habe Vollmachten, mir einen Vertrag, einen Bombenvertrag vorzulegen; ich könne gleich unterzeichnen. Vor dem Krematorium, wo der Schugger Leo, der in Düsseldorf Sabber Willem hieß, mit weißen Handschuhen das Trauergefolge erwartete, zog er ein Papier hervor, das mich gegen enorme Geldsummen verpflichten sollte, als »Oskar, der Trommler« Soloveranstaltungen in großen Häusern, allein auf der Bühne vor zwei-bis dreitausend besetzten Sitzplätzen, zu bestreiten.
    .Dösch war untröstlich, als ich nicht sogleich unterzeichnen wollte. Ich gab Schmuhs Tod als Grund an, sagte, ich könne, da Schmuh mir zu Lebzeiten sehr nahegestanden habe, nicht sofort, noch auf dem Friedhof einen neuen Brotherrn suchen, wolle mir aber die Sache überlegen, vielleicht eine kleine Reise machen, ihn, den Herrn Dr. Dösch dann aufsuchen und gegebenenfalls das unterschreiben, was er einen Arbeitsvertrag nenne.Wenn ich auch auf dem Friedhof keinen Vertrag unterschrieb, sah Oskar sich seiner unsicheren finanziellen Lage wegen dennoch genötigt, einen Vorschuß anzunehmen und einzustecken, den jener Dr. Dösch mir außerhalb des Friedhofes, auf dem Friedhofsvorplatz, wo Dösch seinen Wagen geparkt hatte, diskret und in einem Kuvert versteckt, mit seinem Visitenkärtchen anbot.
    Und ich machte die Reise, fand sogar einen Reisebegleiter. Eigentlich hätte ich die Reise lieber mit Klepp gemacht. Aber Klepp lag im Krankenhaus und durfte nicht lachen, weil er sich vier Rippen gebrochen hatte. Auch hätte ich mir gerne Maria zur Reisebegleiterin gewünscht. Die Sommerferien hielten noch an, das Kurtchen hätte man mitnehmen können. Sie aber hatte es immer noch mit ihrem Chef, dem Stenzel, der sich vom Kurtchen »Papa Stenzel« nennen ließ.
    So reiste ich mit dem Maler lankes. Sie kennen Lankes als Obergefreiten Lankes, auch als zeitweiligen Verlobten der Muse Ulla. Als ich mit dem Vorschuß und meinem Sparbüchlein in der Tasche den Maler Lankes in der Sittarder Straße, wo er sein Atelier hatte, aufsuchte, hoffte ich, bei ihm meine ehemalige Kollegin Ulla zu finden; denn mit der Muse wollte ich die Reise machen.
    Ich fand Ulla bei dem Maler. Schon vor vierzehn Tagen, verriet sie mir in der Tür, haben wir uns verlobt. Mit Manschen Krages sei das nicht mehr gegangen, sie habe sich wieder entloben müssen; ob ich Hänschen Krages kenne?
    Oskar kannte Ullas letzten Verlobten nicht, bedauerte das sehr, machte dann seinen generösen Reisevorschlag und mußte erleben, daß der dazukommende Maler Lankes, bevor Ulla zusagen konnte, sich seinerseits zum Reisebegleiter Oskars machte und die Muse, die langbeinige Muse mit Ohrfeigen traktierte, weil die nicht zu Hause bleiben wollte und deshalb zu Tränen

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