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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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auf, übernahm die Spitze, brachte ihnen, den Damen und Herren, zunächst und als Pröbchen »Backe, backe, Kuchen« bei, jagte ihnen dann, als ich überall kindliche Heiterkeit als Erfolg registrieren konnte, sogleich den ganzen großen Schreck ein, trommelte: »Ist die Schwarze Köchin da?« Ließ sie, die auch mich früher gelegentlich, heute mehr und mehr erschreckt, riesig, kohleschwarz und unübersehbar durch den Zwiebelkeller toben und erreichte, was der Wirt Schmuh nur mit Zwiebeln erreichte: die Damen und Herren weinten kindlich runde Kullertränen, fürchteten sich sehr, forderten zitternd mein Erbarmen heraus, und so trommelte ich, um sie zu beruhigen, auch um ihnen in ihre Kleider, Unterwäsche, in Sammet und Seide zu helfen: »Grün, grün, grün sind alle meine Kleider« auch »Rot, rot, rot sind alle meine Kleider« gleichfalls »Blau, blau, blau...« und »Gelb, gelb, gelb ...« ging alle Farben und Zwischentöne durch, bis ich mich wieder einermanierlich bekleideten Gesellschaft gegenübersah, formierte den Kindergarten zum Umzug, führte ihn durch den Zwiebelkeller, als sei das der Jeschkentaler Weg, als gehe es den Erbsberg hinauf, ums unheimliche Gutenbergdenkmal herum, als blühten da auf der Johanniswiese richtige Gänseblümchen, die sie, die Damen und Herren, kindlich frohlockend pflücken durften. Und erlaubte dann, um allen Anwesenden, auch dem Wirt Schmuh, ein Andenken an den verspielten Kindergartennachmittag zu hinterlassen, ein kleines Geschäftchen, sagte auf meiner Trommel — wir näherten uns der dunklen Teufelsschlucht, sammelten Bucheckern — nun dürft ihr Kinderchen: und sie befriedigten ein Kleinkinderbedürfnis, näßten, alle, die Damen und Herren näßten, auch der Wirt Schmuh näßte, meine Freunde Klepp und Scholle näßten, selbst die ferne Toilettenfrau näßte, pißpißpißpiß machten sie, näßten alle die Höschen und kauerten sich dabei nieder und hörten sich zu. Erst als diese Musik verklungen war — Oskar hatte das Kinderorchester nur leichthin dröselnd begleitet — leitete ich mit großem, direktem Schlag zur unbändigen Fröhlichkeit über. Mit einem ausgelassenen:
    Glas, Glas, Gläschen, Zucker ohne Bier, Frau Holle macht das Fenster auf und spielt Klavier ...
    führte ich die juchzende, kichernde, mit törichtem Kindermund plappernde Gesellschaft zuerst in die Garderobe, wo ein verdutzter bärtiger Student Schmuhs kindliche Gäste mit den Mänteln versorgte, trommelte alsdann die Damen und Herren mit dem beliebten Liedchen »Wer will fleißige Waschfrauen sehen« die Betontreppe hinauf, am Portier im Schafspelz vorbei und hinaus. Unter einem wie auf Bestellung märchenhaft ausgesternten, doch frischen Frühlingsnachthimmel des Jahres fünfzig entließ ich die Damen und Herren, die lange noch in der Altstadt kindlichen Unfug anstellten, nicht nach Hause fanden, bis Polizisten ihnen wieder zu Alter, Würde und zur Erinnerung an die eigenen Telefonnummern verhalfen.
    Ich aber fand, ein kichernder, sein Blech streichelnder Oskar, in den Zwiebelkeller zurück, wo Schmuh immer noch in die Hände klatschte, mit nassen Hosen x-beinig neben der Hühnerleiter stand und sich in Tante Kauers Kindergarten ähnlich wohl zu fühlen schien wie auf den Rheinwiesen, wenn er als erwachsener Schmuh auf Sperlinge schoß.

AM ATLANTIKWALL
    ODER:  ES KÖNNEN DIE BUNKER IHREN BETON NICHT LOSWERDEN

    Dabei hatte ich Schmuh, dem Wirt des Zwiebelkellers, helfen wollen. Er jedoch konnte mir meine Solodarbietung auf der Blechtrommel, die seine gutzahlenden Gäste zu lallenden, unbeschwert fröhlichen, aber auch die Höschen nässenden, deshalb weinenden — ohne Zwiebel weinenden Kindern machte, nicht verzeihen.
    Oskar versucht ihn zu verstehen. Mußte er nicht meine Konkurrenz fürchten, da immer wieder Gäste die althergebrachten Tränenzwiebeln zur Seite schoben, nach Oskar riefen, nach seinem Blech, nach mir, der ich auf meinem Blech die Kindheit eines jeden Gastes — er mochte noch so hochbetagt sein — heraufbeschwören konnte?
    Nachdem Schmuh sich bis dahin auf das fristlose Entlassen der Toilettenfrauen beschränkt hatte, entließ er uns, seine Musiker, und engagierte einen Stehgeiger, den man bei einiger Nachsicht für einen Zigeuner halten konnte.
    Da jedoch nach unserem Rausschmiß mehrere und die besten Gäste dem Zwiebelkeller fernzubleiben drohten, mußte sich Schmuh schon nach wenigen Wochen zum Kompromiß bequemen: dreimal wöchentlich geigte der Stehgeiger. Dreimal

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